Ambra
mich Albina vorgestellt hatte.
Die Prinzessin mit dem glücklichen Händchen, nicht wahr?
Der Singsang seines Akzents ließ die Worte ineinander übergehen, verschwimmen, so dass ich nicht sofort begriff, was er meinte. Albina reagierte schneller, nickte und sagte, dass
unserer Prinzessin hier
jedenfalls das schmucke Anwesen gehöre, in dem wir uns befänden, und insofern besäße ich ja eine Art Hoheitsrecht. Sie lachte. Rokas zog seine Augenbrauen hoch, nahm meine Hand und schickte einen Kuss etwa dreißig Zentimeter über ihr in die Luft. Dann, mit einer eleganten Bewegungund einem Gesichtsausdruck, der kaum nach Erlaubnis fragte, griff er nach meinem Bernstein, der unter der Decke hervorblitzte.
Was für ein Schmuckstück, sagte er. Eine Träne der Sonne. So was hat damals wirklich nur den Adligen gehört. War ein Zeichen von Macht und Luxus. Riecht übrigens gut, wenn man es verbrennt, fast wie Weihrauch. Ambra.
Mit Luxus und Weihrauch habe ich es nicht so.
Ich fiel in sein Lachen ein.
Ist aber alles Blödsinn, also, das mit dem Hoheitsrecht. Leider gibt es trotzdem ein kleines Problem. Ich bewohne dein Zimmer. Leihweise, quasi, und selbstverständlich nur, weil man mir versichert hat, dass …
Ah, sagte Rokas. Perfekt. Ich hatte ohnehin vor, die nächste Zeit in meine Werkstatt auf der Werft zu ziehen. Es gibt eine Menge zu tun.
Wir werden sicher einen Platz für dich finden, falls … ich meine, wenn du …
Plötzlich fehlten mir die Worte, ich spürte, wie ich rot wurde. Rokas lächelte mich an, so milde und gütig, als habe er sich entschlossen, mir alles zu vergeben, was ich mir jemals hatte zuschulden kommen lassen. So katholisch hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Weihrauch. Aber das war es: Rokas hatte die Aura eines Priesters.
Vor Aufregung vergaß Renia zu niesen. Eine Werkstatt
auf der Werft?
Wie bist du denn an die gekommen?
Sie holte ein paar Tassen aus dem Küchenschrank und sortierte jene aus, die die wenigsten Sprünge und Mäusezähne aufwiesen. In die vier schönsten goss ich den Tee.
Es hat sich so ergeben. Angenehm warm habt ihr esübrigens hier. Rokas hielt schützend die Hand über seine Tasse, als ich einen Teelöffel Zucker darüber balancierte.
Ja, der Kachelofen. Wir haben es nicht mehr ausgehalten.
Albina nahm einen Schluck vom heißen Tee. Apropos: Wo warst du so lange? Kinga hätte beinahe nicht geglaubt, dass es dich wirklich gibt.
Lächelnd knetete er seinen Schnurrbart und schien in Gedanken und Erinnerungen zu versinken. Dann, als ob ihm eingefallen wäre, dass es so etwas wie eine Gegenwart gab, zog er seine Jacke aus, seinen Pullover und schließlich auch seine Schuhe, die er mit etwas übriggebliebenem Zeitungspapier ausstopfte und vor den Ofen stellte.
Ich habe jemanden getroffen. In Warschau. Ihr wisst schon. Ich habe
ihn
getroffen.
Ist nicht wahr. Albina schaute mich mit großen Augen an, Renia blinzelte aufgeregt, und so war ich die Einzige im Raum, die von nichts wusste.
Aha, sagte ich. Wer ist denn
er?
Ich versuchte möglichst nicht darauf zu achten, dass aus einem Sprung in Rokas’ Tasse ein Teerinnsal heraussickerte. Es hatte mich immer wahnsinnig gemacht, wenn mein Vater sich in einem Gespräch von Kleinigkeiten ablenken ließ.
Mein Sponsor. Stellt euch nur vor: Es wird tatsächlich klappen, er hat mir eine weitere Summe zur Verfügung gestellt. Ein letztes Projekt noch.
Er legte seine Hände mit den Innenseiten nach oben auf den Tisch und schaute hinauf zur Zimmerdecke, als erwarte er, dass ein Strahl göttlichen Lichts auf ihn herabfalle, aber es war lediglich die Glühbirne, die erneut aufflackerte. Die letzte Fliege des Jahres surrte an derZimmerdecke umher, im Ofen knackte es. Rokas fing an zu erzählen.
Nach einer knappen Stunde war ich bestens informiert über den Plan, den er sich zurechtgelegt hatte. Er, Rokas, würde die Stadt zum Verschwinden bringen. Denn das war sie doch: Aufgebaut aus dem Nichts, auf dem Nichts. Als er meinen verwunderten Blick bemerkte, korrigierte er sich und sagte, dass es sich natürlich nicht um die ganze Stadt handeln könne. Leider. Aber doch wenigstens um einen kleinen, äußerst zentralen Teil von ihr. Über Nacht würde der: verschwinden!
Das klingt ganz … phantastisch, sagte ich, als er seine Ausführungen beendet hatte. Aber wie willst du das schaffen? Doch sicher mit Unterstützung der Stadtverwaltung?
Nein. Das ist doch der ganze Sinn, unterbrach mich Rokas und legte mir die Hand
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