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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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der Wohnung einen Rohrbruch. Wir mussten einen Klempner kommen lassen und schließlich auch neuen Boden verlegen, der alte war uns buchstäblich unter den Füßenweggefault. Ich zögerte erst, das Geld vorzustrecken – ein wenig hatte sich noch auf meinem Konto befunden – dann aber entschied ich mich doch dafür. Wegen Brunons langem Krankenhausaufenthalt waren die Myszas knapp bei Kasse, und Bronka hatte mich darum gebeten. Bartosz fiel finanziell aus, seine Zeit beim Militär war abgelaufen und eine neue Arbeit noch nicht in Sicht.
    Kurz hatte ich überlegt, nach Deutschland zu telefonieren und den guten Przybylla zu bitten, in meine alte Garage zu gehen und meine Pullover, den Wintermantel und ein paar Mützen herauszusuchen und mir zuzusenden. Nach der Renovierung war von meinem Ersparten kaum genug übrig geblieben, um mir eine neue Wintergarnitur anzuschaffen. Diese Stadt gehörte nicht gerade zu den günstigsten. Wenn man sich komplett neu mit Winterkleidung eindecken wollte, dann konnte man locker mit einem mittleren Monatsgehalt rechnen, und das, was ich im Collegium verdiente, reichte gerade zum Überleben aus.
    Eines führte zum anderen. Hätte ich kein Geld gebraucht – und wäre es nicht jeden Tag kälter und kälter geworden, bis schließlich die ersten Eisschollen im Fluss trieben –, wäre ich vielleicht nicht auf Rokas’ Angebot eingegangen. Aber dass er genau zu diesem Zeitpunkt auf der Bildfläche erschien, kam mir wie ein Zeichen vor, eine Art Gnade, und ich wollte nicht zu stolz oder eitel sein, sein Angebot abzulehnen. Maya um einen Vorschuss anzubetteln wäre mir im Traum nicht eingefallen.
     
    Es war der bisher kälteste Abend in diesem Jahr. Draußen, vor dem Küchenfenster, saßen die aufgeplusterten Meisen und rührten sich nicht.
    Es war mittlerweile so kalt in der Küche geworden, dass wir uns Wolldecken umgehängt und schließlich beschlossen hatten, den alten Kachelofen in Betrieb zu nehmen. Albina hatte einen Sack Kohle aus dem Keller hochgeschleppt, Renia und ich säuberten die Luke und versuchten, das klemmende Türchen zu richten. Mit klammen Fingern zerrissen wir schließlich etwas Zeitungspapier, stopften es in die Luke hinein und entfachten das Feuer. Eigentlich hatte ein Schornsteinfeger kommen sollen, aber wie so oft verschoben sich die Dinge ins Ungewisse, und so musste man sie selber in die Hand nehmen.
    Zu dritt setzten wir uns auf den honiggelb gekachelten Vorsprung des Ofens und spürten, wie die Wärme langsam unsere Rücken emporkroch.
    Na endlich, sagte Renia und nieste. Sie hatte sich erkältet und war außerstande, in dieser Woche Vorstellungen im Collegium zu geben. Demoiselle Maya hatte sie angefleht, es doch wenigstens zu versuchen, aber Renia war – auf meinen und Albinas Rat hin – unnachgiebig geblieben. Ich stellte mich an den Herd, um uns Tee zu machen. Als es an der Tür klopfte, war es Albina, die aufstand, um zu öffnen.
    Ein zögerliches, suchendes Klopfen war das, als sei dem Besucher unklar, ob er wirklich die richtige Tür gefunden hatte, oder als sei er sich seines Anliegens nicht hundertprozentig sicher. Man hörte die Tür quietschen, kurz über den Läufer schaben, dann war Stille. Renia hörte kurz auf, sich zu schneuzen, und ich stellte die Gasflamme niedriger, um besser hören zu können. Schließlich drang ein spitzer Freudenschrei aus dem Flur, etwas polterte, jemand lachte. Albina kam zurück in die Küche, mit hochrotem Kopf und feuchten Augen.Hinter ihr erschien ein dunkelhaariger Mann mit ausladendem Schnurrbart. Es war unmöglich, sein Alter zu schätzen: Der hagere Körper und der jugendliche Gang kontrastierten mit tiefen Falten, die sich in sein Gesicht gegraben hatten, und einer breiten, schlohweißen Strähne, die sich von seiner Stirn bis zum Hinterkopf erstreckte.
    Rokas!
    Bei der Erwähnung seines Namens flackerte die Glühbirne an der Decke kurz auf. Renia ließ ihr Taschentuch unter der Wolldecke verschwinden und fiel in seine Arme. Während Rokas ihr über den Rücken strich, als müsse er sie trösten, hielt er seinen Blick auf mich gerichtet und zwinkerte mir zu. Sofort wurde ich verlegen und fühlte mich wie ein Schulkind. Ich drehte mich um und schaltete umständlich den Ofen aus, stellte den Wasserkessel zur Seite. Mir war plötzlich etwas Unangenehmes eingefallen: sein Zimmer. Richtig, es war beschlagnahmt worden, und zwar von mir. Nichts hätte mir unangenehmer sein können.
    Kinga, Kinga, wiederholte er, als

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