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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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nötig, auf nichts mehr etwas antworten oder reagieren zu müssen.Dann hörte ich wieder das Bellen, ein heiseres Jauchzen, der Dobermann, dachte ich, bis mich ein grauer Wolfshundmischling umsprang und sich neben der Bank niederließ. Cudny! Ich drehte mich um, konnte Bartosz aber nirgends erkennen. Cudny legte seine Vorderpfoten in meinen Schoß und schaute mich aufmerksam an.
    Na, was hast du mit deinem Herrchen gemacht?
    Er wedelte mit dem Schwanz. Ich seufzte und stand auf, sah den Schotterweg hinab, der zur Straße führte. Nichts. Ein paar Schritte ging ich auf dem nassen Gras zur anderen Seite der Bastion, und dort unten, in der Nähe des Grabens, sah ich ihn hocken, mit seiner Einbrechermütze und der Hundeleine in der Hand. Er begutachtete etwas im Boden. Kurz überlegte ich, ob wir uns verabredet hatten und ich es vergessen hatte, aber mir fiel nichts ein, kein Gespräch, keine Notiz. Ich war mir sicher, dass er wegen etwas Bestimmtem da war, nur wegen der Aussicht kam Bartosz sicher nicht hierher. Es musste mit dem Abend im Varieté zusammenhängen – vielleicht erwartete er eine Erklärung. Was sollte ich ihm bloß sagen?
    Ich strich meine Haare hinters Ohr und rief gegen den Wind Bartosz’ Namen. Keine Reaktion, das zweite Mal also lauter, bestimmter. Der Hund bellte, da schaute Bartosz endlich her, winkte und rief etwas, das ich nicht verstand. Als ich keine Anstalten machte, nach unten zu kommen, begab er sich auf den Weg nach oben, nicht ohne zweimal auszurutschen und seine Jeans an ein paar spitzen Kieselsteinen aufzureißen. Oben angekommen, sagte er
Hallo Kinga
und streckte seine Hand aus. Ich schaute sie überrascht an –, wir hatten doch vorher nie zur Begrüßung die Hände geschüttelt – aber als er schließlich auch noch seinen Lederhandschuh auszog,nahm ich sie und drückte zu. Es wunderte mich, dass er wegen der Vorkommnisse im Collegium weder zornig noch verblüfft schien.
    Schön, dich zu sehen.
    Ich lächelte müde und fragte ihn, was ihn hergeführt habe, er sei doch sicher nicht zufällig hier? Da lachte er, betreten, wie es mir schien, und fing an, von einem erfrorenen Maulwurf zu erzählen, den Cudny unten gefunden habe,
     
    gute dreißig Zentimeter muss das Ding lang sein, ohne Übertreibung, unterarmlang, ein Teil, wie man es nur von Tieren kennt, Eseln oder Hengsten oder so, natürlich steht es nicht, auch wenn es steif ist, hängt es herunter, das macht das Gewicht, wenn da so viel Blut drin ist, braucht man schon einen Kran, um es oben zu halten, aber funktional ist es trotzdem, o ja.
    Die Brzuszek hatte ihre Stimme gesenkt, an jenem Abend, ein, zwei Wochen vor Jarzèbińskis Abgang muss das gewesen sein, und für ihre Verhältnisse hatte sie ziemlich leise geredet, damit nur die Kijowska etwas mitbekam und sonst niemand, natürlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass man hinter den Baderäumen alles mithören konnte, woher sollte die das auch wissen, da führte ja kein Weg entlang, jedenfalls kein offizieller. Der Jarzèbiński kannte ihn trotzdem, was wir ihm alle hoch anrechneten, sogar der Socha klopfte ihm auf die Schulter und flüsterte, dass er ja doch zu was zu gebrauchen sei, anscheinend würde er ja nicht nur Vögeln und Echsen und Insekten nachstellen, in seiner Freizeit, aber Jarzèbiński lächelte bloß unbeholfen und sagte, eigentlich habe er den Weg durch Zufall entdeckt, und ja, es sei wirklich ein Vogel daran beteiligt gewesen, ein Weißohrbülbül
nämlich, ein besonders junger. Der noch nicht besonders fliegen konnte und noch ein ganz dunkles Gefieder hatte, dort, hinter den Baderäumen, habe er gesessen und so laut gezwitschert, dass es kaum zu überhören gewesen war, zuerst habe er ihn für eine Nachtigall gehalten …
    Da vergaß Socha, dass wir leise sein mussten, er gähnte so laut, dass drinnen die Brzuszek verstummte, keinen Pieps sagte die mehr, wir sind schnell weg, aber immerhin wussten wir jetzt, was es mit dem Michalewski auf sich hatte, fragen konnten wir den ja schlecht. Dass der Jarzèbiński wieder einen auf Heiliger machen würde und immer, immer gewissenhaft tun musste, das hat uns damals genervt und jetzt macht es mich fertig, wie schafft man es denn bloß, so gut zu sein, fast unmenschlich, jawohl, das war unmenschlich, vielleicht mehr eine Art Engel, aber was zum Teufel er dann beim Militär zu suchen hatte, kapier ich bis heute nicht.
    Wir also zurück auf die Bank vor unserer Baracke, von der man einen guten Blick hatte auf

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