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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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zusammen mit dem Führer an einem Trockendock aus und ließen sich die Fertigungsweise von Schiffen erklären – Brunon stand draußen und blickte enttäuscht zu Bronka und Kinga, die drinnen geblieben waren –, da beteuerte Kinga, dass es Bartosz guttue, sich für jemanden zu interessieren, etwas Ablenkung sei nur gesund, man dürfe sich auf keinen Fall auf etwas fixieren, so wie er auf den Krieg, krank werde man davon und könne merkwürdige Ideen ausbrüten.
    Bis zum Ende der Fahrt sagte sie kein Wort mehr, wirkte apathisch und schien sich auch nicht für die Ausführungen von Brunon oder dem Fahrer zu interessieren. Erst als sie erneut am Eingangstor angelangt und aus dem Bus gestiegen waren, kam wieder Leben in sie. Verwundert blickte sie um sich, als könne sie nicht ganz begreifen, dass die Führung schon vorbei war. Obwohl mittlerweile die Sonne etwas höher stand und der Himmel wolkenlos war, hatte die Luft sich kaum aufgewärmt. Sie war noch immer so kalt, dass die Menschen sich die Schals vor ihre Nasen hielten, um sie nicht direkt einzuatmen. Trotzdem schienen sich die Myszas nicht von Kinga trennen zu können: Eine Minute nach der anderen verstrich, und noch immer stand das kleine Dreiergrüppchen beisammen und trat von einem Fuß auf den anderen.
    Ja, also, wegen der Miete, brachte Brunon endlich hervor.Mittlerweile sei bereits Ende November, und sie hätten nicht einmal die Miete für Oktober erhalten. Von den anderen Mietern, verstünde sich. Und überhaupt …
    Ach, das, sagte Kinga. Eine schwierige Angelegenheit.
     

    In der nächsten Zeit war ich so oft auf der Werft, dass ich abends kaum noch die Kraft aufbrachte, ins Collegium zu gehen. Wenn ich mich doch aufraffte, dann so, dass ich wenige Minuten vor einem Auftritt ankam und kurz danach den Saal wieder verließ, um nach Hause zu gehen. Es tat mir leid, in Mayas und Marios fragende Gesichter zu blicken, aber ich hatte einfach keine Energie mehr übrig, nicht mal, um zu erkennen, dass mich die Arbeit im Varieté aussaugte. Ein absurder Gedanke: Hätte ich mich dem Willen meines Vaters widersetzt und die Wohnung verkauft, hätte ich mich nie auf Bartosz eingelassen, dann wäre vielleicht alles anders gekommen, aber eben nur vielleicht.
    Nach einem dieser anstrengenden Tage im November stieg ich abends, kurz bevor ich ins Varieté aufbrechen wollte, auf eine der Bastionen unweit der Wohnung. Ich lehnte mich gegen die Bank auf der Anhöhe und zog mir die Kapuze über den Kopf. Der Wind wehte so stark, dass er selbst durch den Stoff in meine Ohren drang. Weiter unten, auf der Wiese vor dem Wasser, führte eine Frau ihren Dobermann aus. Eine Ente verschwand im Schilf. Der Dobermann bellte auf und stürzte sich in den Morast. Die Frau schrie ihn an, aber dann drehte der Wind und ich konnte sie nicht mehr verstehen. Der Gestank des Klebers in Rokas’ Werkstatt saß noch immer in meiner Kleidung. Eine solide Person,dachte ich und lachte leise, das war ich wohl, das oder wenigstens: solide verklebt.
    Renia und Albina waren bereits nach Hause gegangen, völlig erschöpft waren sie aus der Werft hinausgewankt. Der Tag war anstrengend gewesen, es hatte viel zu tun und zu planen gegeben: Wann konnte man es wagen, sich in der Innenstadt zu schaffen zu machen? Welche Geschichte würde man den Sicherheitsleuten erzählen, falls welche auftauchten? Mein Vorschlag, dass wir eine größere Institution einbeziehen sollten – wenn schon nicht das Kulturbüro der Stadt, so doch wenigstens das Kunstinstitut der Universität – stieß erneut auf Widerstand. Das sei der ganze Zweck, wiederholte Rokas, die Überraschung, die Attacke aus dem Hinterhalt. Seine Besessenheit hatte uns angesteckt. Als er aber angekündigt hatte, auch den Abend noch auf der Werft zu verbringen, hatten wir gestreikt.
    Wir gehen, hatte Albina gesagt. Wir müssen schlafen. Und vorweihnachtliche Gefühle entwickeln. Willenlos folgten Renia und ich ihr, so lange, bis wir eine Kneipe gefunden hatten, die bereits Glühwein ausschenkte.
    Vorweihnachtlich ist erst, wenn sie den Baum aufstellen. Renia hatte ihren Glühwein nach dem ersten Schluck wieder abgesetzt und unbestimmt aus den Butzenfenstern geblickt. Apropos. Wir feiern doch zusammen, oder?
     
    Hinten im Werder stieg Rauch auf, es roch nach verbranntem Holz. Ich atmete auf und genoss die große Erleichterung, nach einem Tag in der Gruppe mit niemandem mehr reden zu müssen, die Gesichtsmuskeln nicht mehr zu beanspruchen als unbedingt

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