Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
Vom Netzwerk:
verschwunden. Kinga hatte zu Albina geschaut und die Augenbrauen hochgezogen. Das war der Beweis: Die eigenartige Stimmung in der Wohnung ging nicht allein auf sie, Kinga, zurück, nein. Vor allem Renia hatte sich verändert.
    Weit nach Mitternacht war das Kissen plötzlich unbequem geworden, die Decke war nicht dick genug, und zu allem Überfluss meinte Kinga, einen Luftzug vom Fenster zu spüren. Den ganzen Winter über war es dicht gewesen, und jetzt … Sie stand auf, um die Matratze etwasweiter weg vom Fenster zu schieben. Kaum hatte sie sich wieder hingelegt und eine halbwegs erträgliche Schlafposition gefunden, hörte sie ein Geräusch im Flur.
    Die verfluchte Katze, dachte Kinga, aber dann fiel ihr ein, dass Renia das Tier hinausgelassen hatte, bevor sie schlafen gegangen war. Das Schnurren und kurz darauf das empörte Fauchen waren durch die ganze Wohnung zu hören gewesen.
    Rasch sah sie auf die Uhr: zehn vor zwei. Albina und Renia schliefen längst, vor über einer Stunde waren sie in ihre Zimmer gegangen und hatten das Licht ausgeknipst. Von der Eingangstür her drang wieder ein Geräusch, ein Schaben. Ein metallener Gegenstand wurde in das Schlüsselloch eingeführt. Kinga war augenblicklich hellwach und setzte sich auf. Ihr fiel ein, dass sie vergessen hatte, die Vorhängekette anzulegen. Jedes Mal, wenn Albina das bemerkte, schimpfte sie mit ihr, aber Kinga hatte sie für ihre Angst vor Einbrechern immer ausgelacht.
    Vorsichtig öffnete Kinga ihre Tür. Im Flur war es dunkel. Sie überlegte, ob sie schnell in Albinas Zimmer huschen sollte, aber da ertönte erneut ein Quietschen von der Eingangstür. Der kaum wahrnehmbare Lichtstrahl einer Taschenlampe drang in den Flur. Kinga spürte ihren Herzschlag bis zum Hals hinauf, als sie die Zimmertür wieder anlehnte, zu ihrem Handy griff und die Nummer der Polizei wählte. Das Freizeichen erklang – Kinga versuchte, durch den Türspalt etwas im Flur zu erkennen –, und schließlich meldete sich eine Männerstimme.
    Hier wird gerade eingebrochen, flüsterte sie in das Handy hinein, kommen Sie, schnell! Natürlich musste der Beamte am anderen Ende träge sein, noch dazu etwas schwerhörig, und bis er endlich ihren Namen verstandenund ihre Adresse notiert hatte, waren bereits ein, zwei Minuten vergangen. Aber das war noch nicht alles: Wollte der doch tatsächlich wissen, um wie viele Einbrecher es sich handelte, als spielte das irgendeine Rolle, ob da zwei oder drei oder fünf Übeltäter in die Wohnung eindrangen!
    Kinga stieß einen tonlosen Fluch aus und ging zurück zum Türspalt. Noch immer war nichts zu erkennen, auch der Lichtstrahl war verschwunden, als hätten es sich die Banditen in letzter Sekunde anders überlegt. Doch nein: Da war der Geruch von nasser Erde, kühler Luft, da musste etwas sein, das von draußen kam. Nichts als Dunkelheit … In die Stille hinein erklang plötzlich die quakende Stimme des Polizeibeamten aus dem Telefon.
    Hallo, hallo, hören Sie? Sind Sie noch dran?
    Plötzlich klickte es, der Lichtkegel der Taschenlampe wurde direkt in Kingas Gesicht gehalten, und eine Stimme sagte: Herrgott, du bist das.
    Was um alles in der Welt …? Kinga entschuldigte sich bei dem Polizisten, sagte, es habe sich um ein Missverständnis gehandelt und legte schnell auf. Dann ließ sie das Handy in die Tasche ihrer Pyjamahose gleiten.
    Weißt du eigentlich, was für einen Schrecken du mir eingejagt hast? Bartosz richtete den Strahl der Taschenlampe kurz auf die Türen, hinter denen Albina und Renia schliefen, und als alles ruhig blieb, schob er sich zusammen mit Kinga in ihr Zimmer und schloss vorsichtig hinter ihnen die Tür. Was soll das? Was machst du hier?
    Bartosz streifte sich die Mütze vom Kopf. Komisch, dachte Kinga, krank sah er gar nicht aus, genau genommen war seine Gesichtsfarbe so gesund wie immer, und auch sonst wirkte er nicht besonders schwächlich. Immerhinbrachte er genug Kraft auf, nachts in fremde Wohnungen einzudringen. Er blickte sich in Kingas Zimmer um, als müsse er sichergehen, dass sich außer ihnen niemand im Raum befand, und sagte schließlich: Tut mir leid. Geht es dir gut?
    Ob es mir gut geht? Du kommst mitten in der Nacht hier an, um mich zu fragen, ob es mir
gut
geht? Verlegen drehte Bartosz die Mütze in seinen Händen. Ja! Ich meine, nein. Ich habe mich mit meinem Vater gestritten. Ich musste raus, an die frische Luft, und da habe ich gedacht, komme ich halt vorbei, gucke, ob du noch wach bist, und frage dich,

Weitere Kostenlose Bücher