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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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die Tür zwar ordnungsgemäß verschlossen, die Knöpfe ihrer Jeans aber noch immer geöffnet waren. Gerade als sie sich gegen die Tür presste, damit niemand sah, dass sie ihre Jacke zur Seite schob und sich an ihrer Hose zu schaffen machte, erschienen am Ende der Gasse zwei vertraute Gestalten: Kingas Mitbewohnerin Albina, in Begleitung von Tilmann Kröger. Kinga ordnete ihre Jacke und setzte ein Lächeln auf, als die beiden vor ihr stehen blieben und neugierige Blicke ins Ladenlokal warfen. Albina klopfte ihr auf die Schulter, als ahnte sie, warum Kinga bereits auf dem Nachhauseweg war.
    Machst du schon zu? Schade, ich habe heute eine Tour für Eingeweihte gemacht und wollte auch bei dir vorbeischauen. Kröger wehrte ab, sagte, dass er niemandem in die Quere kommen wolle, und überhaupt hätten sie heute doch schon so viel gesehen. Eigentlich sei er bereits spät dran.
    Kinga nickte und antwortete, dass man wenigstens ein Stück weit zusammen gehen könne, und so brach man gemeinsam in Richtung der Schnellstraße auf, die man auf dem Weg zur Wohnung passieren musste. Kurz vor der Unterführung erkundigte sich Kinga, welche Orte die Tour denn beinhaltet habe. Sie war abgelenkt, gab sich aber äußerste Mühe, interessiert zu wirken.
    Albina hat mir ihre Werkstatt auf der Werft gezeigt. Streng geheim, ja ja, ich weiß! Ich habe schon alle Schwüre abgelegt, niemandem etwas davon zu erzählen, keine Sorge. Kröger wunderte sich über Kingas verblüfften Blick und verkniff sich zu sagen, wie beeindruckt er davon war, was eine Frau alleine auf die Beine stellen konnte, alles ohne Assistenten oder Team um sie herum.
    Sag mal, musst du nicht in die andere Richtung? Kurzvor der Unterführung gab Kröger zu, dass er längst hätte umdrehen müssen, und verabschiedete sich. Die beiden Frauen sahen ihm schweigend nach.
    Was findest du bloß an ihm?, fragte Kinga.
    Ich weiß nicht, sagte Albina, ich dachte,
du
wärest befreundet mit ihm?
    Kröger? Bestimmt nicht. Aber meinetwegen triff ihn doch. Der arme Kerl ist sicherlich ziemlich einsam. Wie lange bleibt der noch hier? Hat er etwas gesagt?
    Das weiß ich nicht. Komisch, das Gleiche wollte er auch über dich wissen: wie lange du noch hierbleibst.
    Als sie am Nationalmuseum vorbeigingen, fragte sich Kinga laut, was denn das für eine absurde Frage sei: wie lange sie bliebe. Sie wohne ja hier.
    Albina erwiderte, dass sie sich nicht ärgern solle. Überhaupt ärgere sie sich zu viel in letzter Zeit. Die Hände tief in den Jackentaschen vergraben, unterbrach Kinga sie und wollte wissen, was sie damit meine. Die Situation in der Pfandleihe würde sie etwas bedrücken, ansonsten sei doch alles so wie immer. Albina sah sie ungläubig an.
    Glaubst du wirklich, ich bemerke nicht, wie ihr euch die ganze Zeit streitet, Renia und du? Seit ein paar Tagen geht das schon so. Manchmal denke ich, es wäre besser für sie, öfter zur Arbeit zu gehen. Was ist bloß los mit euch? Ich dachte, du hängst so an ihr?
    Natürlich hänge ich an ihr! Wenn wir uns streiten, dann nur deshalb, weil ich ihr einige Erfahrungen ersparen möchte. Sie sieht doch überhaupt nicht klar, überarbeitet, wie sie ist. Auf Albinas Nachfrage hin, von welchen Erfahrungen sie denn bloß rede, schwieg Kinga. Erst, als die beiden schon fast zu Hause angekommen waren, sagte sie, dass sie in Zukunft versuchen würde,ruhiger zu bleiben. Albina habe ja recht, man müsse Konflikte intelligenter lösen, vor allem, wenn es um das Wohl der eigenen Freunde gehe.
    Albina atmete auf. Die unfertigen Skulpturen vor der Kunstakademie mussten sie an alte Zeiten erinnern, als sie noch an der Hochschule beschäftigt war und mit Studenten Gipsfiguren hergestellt und aus pappigem Lehm Kinder- und Greisenköpfe geformt hatte.
    Diese Zeiten waren endgültig vorbei.
     
    In der Nacht schlief Kinga unruhig, die Piroggen und die Buttertunke lagen ihr schwer im Magen, ließen sie schlecht träumen und immer wieder hochschrecken. Als sie und Albina nach Hause gekommen waren, hatten sie Renia in der Küche angetroffen, wie sie über einer Zeitschrift brütete und eine Katze auf dem Schoß hielt, die sie im Hof angefüttert hatte.
    Kinga konnte es nicht ausstehen, das Tier in der Wohnung zu haben, den Dreck, den es hineinschleppte, die Flöhe, Wanzen, Zecken, Milben. Renia wusste um Kingas Abneigung, und so war sie, kaum dass Kinga sich zu ihr gesetzt hatte, aufgestanden, hatte beschämt die Katze unter ihren Arm geklemmt und war in ihrem Zimmer

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