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Ameisenroman

Ameisenroman

Titel: Ameisenroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. O. Wilson
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gute Universitäten. Ich möchte da keine gehässigen Vergleiche mit Harvard aufstellen. Aber – warum fragen Sie?»
    «Sie sind auf dem Weg, in der Gegend von Mobile eine wichtige Figur zu werden, das ist der Grund, und ein paar von unseren religiösen Leuten wollten einfach etwas mehr über Sie wissen.»
    Bis hinauf nach Monroeville?, wunderte sich Raff.
    Noch bevor er antworten konnte, räusperte sich Bo Rainey und fragte: «Wird in Harvard die Evolutionstheorie gelehrt?»
    Ach so, dachte Raff, da läuft der Hase. «Natürlich»,sagte er, «wird in Harvard über die Evolution gelehrt. Das ist solide Wissenschaft. Jede Menge Beweise sprechen dafür. Natürlich weiß ich auch, dass viele gute Leute hier in der Gegend und auch sonst in Amerika nicht daran glauben.» Das war Prinzip Nummer eins in Raffs Regelwerk zum Konfliktmanagement: den Gegner nicht unnötig reizen.
    Reverend LeBow ignorierte die Antwort und fragte: «Und lehren sie auch die Bibel?»
    «Natürlich.» Raff entspannte ein wenig, so langsam kam er in Gang. Hatte er es hier mit diesen extrem Rechten zu tun, von denen ihm Bill Robbins geraten hatte, die Finger zu lassen? «Es gibt da eine theologische Fakultät, seit 370 Jahren werden in Harvard Pfarrer ausgebildet.»
    Sofort bereute er es, dass er gegenüber LeBow mit dieser kleinen Anspielung auf die Altehrwürdigkeit von Harvard vielleicht zu herablassend gewesen war. Prinzip Nummer zwei war: nicht prahlen, niemals auf den Gegner herabsehen. Bescheiden bleiben. Und wenn das nicht geht, wenigstens unverbindlich bleiben.
    Bevor das Verhör weiterging, wurden sie von lautem Gewehrfeuer unterbrochen, das trotz der Distanz bis zur Bar herüberdrang. Irgendjemand feuerte da mit einem Schnellfeuergewehr. Bei dem Geräusch zuckte Raff zusammen. Diese Waffe hasste er. Sie hatte dieselbe Funktion wie abgesägte Schrotflinten, die manchmal im Nahkampf eingesetzt wurden. Beide Waffen waren nicht besonders feinfühlig. Und treffsicher übrigens auch nicht. Man verstreute einfach eine Menge Kugeln und hoffte, dass eine oder mehrere das Ziel erwischten. Während er wartete, dachte Raff, keine Zeit zum Zielen, also schieß als Erster, töte schnell. Ist das überhaupt legal? Ich dachte, nicht.Aber wahrscheinlich doch, sonst würde Henry sie in seinem Schießstand nicht erlauben. Wenn ich in der Armee wäre, wäre ich lieber Scharfschütze – mit Zielfernrohr und Schalldämpfer schießen und sich wieder wegschleichen.
    Nach etwa einer Minute hörte das Gewehrfeuer auf, und LeBow setzte wieder an. «Glauben Sie, was Sie in der Bibel lesen?»
    Raff begann sich zu ärgern und überlegte, ob er sich einfach entschuldigen und gehen sollte. Davon würden sich aber seine Besucher mit Sicherheit angegriffen fühlen, und es war ohnehin besser, herauszufinden, was LeBow eigentlich wollte.
    «Tja, einiges in der Bibel ist gewiss wahr», sagte Raff. «Und einiges ist eben nur eine Formulierung für Dinge, die vielleicht wahr sind. Es lohnt sich mit Sicherheit zu wissen, was in der Bibel steht.»
    «Gehen wir das doch einmal anders an», griff LeBow den Faden auf, «und keine Sorge, ich will auf etwas Bestimmtes hinaus. Ich glaube, das ist für Sie persönlich wichtig, und deshalb erstatten Bo und ich Ihnen diesen Besuch. Gedulden Sie sich noch ein bisschen.»
    «Okay, ich höre.»
    «Danke. Erstens wollen wir aufhören, von der Bibel zu reden. Bezeichnen wir sie als das, was sie ist, das Wort unseres Herrn und Gottes, und durch ihn das Seines Sohnes Jesus Christus.»
    «Also, ich habe nichts dagegen, wenn Sie es so nennen wollen. Die Bibel wird von den Juden und den verschiedenen christlichen Konfessionen sehr unterschiedlich interpretiert. Dafür herrscht bei uns ja die Religionsfreiheit, nicht wahr? Warum sollte das in einer Demokratie so wichtig sein?»
    LeBow hakte nach: «Ich will Ihnen sagen, warum das sehr wichtig ist. Entweder glauben Sie, dass Gottes Wort wahr ist, oder Sie glauben, dass Sie es beliebig interpretieren können, so dass Sie sich damit wohler fühlen.»
    Raff hatte nichts für Theologie übrig, und LeBows Tonfall gefiel ihm gar nicht, aber er hielt durch. «Okay, das ist zwar ziemlich extrem ausgedrückt, aber ich nehme an, was Sie da sagen, ist grundsätzlich richtig. Aber noch einmal, wozu? Wohin führt uns das?»
    «Raphael – darf ich Sie so nennen? –, darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?»
    «Also …» Raff setzte schon zum Ja an, aber LeBow kam ihm zuvor.
    «Raphael, hat Jesus

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