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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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im Mena House, während wir darauf warteten, daß er sich zum Abendessen zu uns gesellte. Schickten einen Kellner, um ihn zu holen, als er nicht kam. Zimmer durchwühlt, Tische und Stühle umgeworfen, Schubladen herausgezogen … verflucht aufregend! Nun, es war klar, daß ein Kampf stattgefunden hatte, und er tauchte nicht mehr auf, und … Später traf ich zufällig auf Sir Eldon und erwähnte die Sache ihm gegenüber. Dachte, das sei das mindeste, was ich für ihn tun könnte.«
    Während ich seiner unzusammenhängenden Schilderung lauschte und seine schlaffen, nichtssagenden Gesichtszüge beobachtete, konnte ich mir einfach nicht vorstellen, was Emerson dazu bewogen hatte, in ihm ein kriminelles Genie zu vermuten. Darüber hinaus konnte Emerson mich nicht bezichtigen, unvorsichtig zu handeln und die törichte Gelegenheit wahrzunehmen, mit ihm zu reden. Denn was hätte mir selbst der schrecklichste und herausragendste Verbrecher im überfüllten Speisesaal des beliebtesten Hotels von ganz Kairo antun sollen?
    Ich sollte es bald herausfinden.
    Es gab keinerlei Anzeichen einer Vorwarnung wie etwa Schwindel oder Übelkeit. Das einzige, woran ich mich erinnern kann, ist der Anblick seiner Lordschaft, der immer noch auf seinem Stuhl saß und plötzlich mit der Geschwindigkeit eines Expreßzuges vor meinen Augen immer kleiner wurde, bis er schließlich die Größe einer Biene hatte. Ich spürte, wie mein Kinn die Tischplatte berührte, und dann nichts mehr.
     
    Erneut hatte ich den gleichen merkwürdigen Traum. Jede Einzelheit paßte zusammen – das weiche Sofa, auf dem ich geruht hatte, die mit rosafarbener Seide bedeckten Wände, der Marmorboden, der Springbrunnen. Da ich wußte, daß ich bald neben Emerson erwachen würde, gab ich mich zufrieden meiner Schläfrigkeit hin und genoß die üppige Pracht meiner Umgebung. Die Zimmerdecke über mir war mit einem weichen Stoff ausgeschlagen wie das Dach eines Sultanzeltes. Silberne Deckenleuchter verliehen dem Raum ein angenehmes, gedämpftes Licht. Träge wandte ich den Kopf. Er war da, genau wie ich ihn schon einmal gesehen hatte … der niedrige Ebenholztisch mit den Perlmuttintarsien, die Schale mit den Orangen und Pfirsichen, Trauben und Pflaumen. Nur die Weinkaraffe und die Kristallkelche fehlten.
    Nachdenklich sinnierte ich über die mögliche Bedeutung eines solchen, wiederkehrenden Traums. Eine nähere Beobachtung der Sachlage war angebracht. Ich beschloß, das Traumereignis zu nutzen und meine Umgebung sorgfältiger zu erkunden. Deshalb schwang ich meine Füße vom Sofa und erhob mich.
    Ein Schwindelanfall ließ mich zurück in die Kissen taumeln. Aber es war nicht so sehr das unangenehme Gefühl des kalten Marmors an meinen nackten Fußsohlen, daß ich schlagartig die entsetzliche Wahrheit erkannte. Das war kein Traum. Ich war leibhaftig hier – und jemand hatte die Frechheit besessen, mir meine Stiefel wegzunehmen!
    Und was war mit meinem Werkzeuggürtel! Er war das erste, wonach ich tastete. Das Schwindelgefühl war vorüber, und ich war vollkommen geistesgegenwärtig und aufnahmebereit. Meine Logik vermittelte mir umgehend das entsetzliche Ausmaß meiner Situation. Wie er mich im hellen Tageslicht aus einem belebten Hotel hatte entführen können, wußte ich nicht. Aber ich hatte keinen Zweifel an seiner wahren Identität. Nur Sethos hätte diese Dreistigkeit besessen. Nur er allein hätte einen solch waghalsigen Plan ausgeführt. Und er war – er mußte einfach der farblose Graf gewesen sein! Der kleine Trick mit dem Weinglas, so geschickt inszeniert, hatte ihm die Gelegenheit gegeben, meinen Wein zu vergiften. Emerson hatte recht gehabt, ich hingegen hatte mich geirrt. Mein einziger Trost bestand darin, daß Ramses ebenfalls falsch gelegen hatte.
    Mein Herz pochte unangenehm schnell, doch das Gefühl, das mich durchströmte, war nicht so sehr Furcht wie absolute Entschlossenheit, vermischt – das gebe ich zu – mit brennender Neugier. Würde ich letztlich der rätselhaften Persönlichkeit gegenüberstehen, deren Machenschaften in mir Abscheu und zugleich eine gewisse unfreiwillige Bewunderung ausgelöst hatten? Alle Kritiker behaupten, daß Miltons Satan eine dunkle Aura der Würde umgibt. Auch sein Stellvertreter auf Erden sorgte für ein solches Empfinden.
    Ohne mich von meinem Sitzplatz zu rühren, peilte ich die Lage. Jetzt begriff ich, warum die Kristallgläser und die Karaffe aus meinem Traum fehlten. Es befand sich kein einziger Gegenstand im

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