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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Und falls der zerlumpte Engländer nicht der leibhaftige Meisterverbrecher war, dann gehörte er sicherlich zu dessen Stellvertretern. Ich war mir sicher, daß er in Ramses’ Entführung verwickelt gewesen war und daß wir ihn nie wiedersehen würden.
    Dahschur, das ungefähr auf halber Strecke zwischen Medrashein und Mazghunah liegt, besitzt keinen eigenen Bahnhof. Da wir unser umfangreiches Gepäck nicht auf Eseln von einem dieser beiden Orte transportieren lassen wollten, hatte Emerson darum gebeten, daß der Zug in der Nähe von Dahschur kurz anhielt. Ich muß gestehen, daß eine solche Vergünstigung sonst niemandem zuteil geworden wäre. Doch Emerson besitzt einen solch bemerkenswerten Ruf, und seine Überzeugungskraft, insbesondere seine Überredungskunst, ist so ausgeprägt, daß der Lokführer ihm seinen Wunsch erfüllte und die Beschwerden der anderen Reisenden von den Schaffnern geflissentlich überhört wurden.
    Eine Gruppe unserer treuen Männer erwartete uns bereits. Sie harrten schon seit fünf Stunden aus, da wir sie nicht hatten informieren können, daß wir den früheren Zug verpaßt hatten. Sie waren weder aufgebracht noch besorgt wegen der Verspätung. Als wir sie erspähten, hockten sie friedlich in einer schattigen Ecke, rauchten und schwatzten. Das ägyptische Temperament nimmt Verzögerungen mit einem Schulterzucken und einem gemurmelten Hinweis auf den Willen Allahs zur Kenntnis. Dieses Verhalten läßt Europäer und Amerikaner (insbesondere letztere) ebenso verzweifeln wie die Tatsache, daß das am häufigsten verwendete Wort in der arabische Sprache bokra (morgen) lautet. Emerson behauptet, daß die ägyptische Einstellung wesentlich intelligenter ist als unsere ständige Hast und Eile, doch auch wenn er mit seiner Einschätzung recht behält, ist er selbst als erster verärgert, wenn seine Pläne durchkreuzt werden.
    Als der Zug langsamer wurde, erhoben sich die kräftigen Burschen, und als einer von ihnen Emerson aus dem Abteil klettern sah, brach die ganze Gruppe in aufgeregte Willkommensschreie aus. Rai Abdullah, der schon viele Jahre lang als kompetenter Vormann für uns gearbeitet hatte, übertraf alle anderen an Körperstatur und Würde. Er nahm Emerson sogleich brüderlich in die Arme, wobei die üppigen Falten seines Gewandes wie ein plötzlicher Schneesturm um meinen Gatten tosten. Emerson nahm diese Geste mit stoischer Gelassenheit hin und schickte die anderen Männer fort, um unser Gepäck abzuladen.
    Ich erwiderte Abdullahs respektvolle und herzliche Begrüßung recht zerstreut, da zu meiner überaus großen Überraschung plötzlich der Mann namens Nemo auftauchte.
    Es machte nicht den Anschein, als wolle er seine Anwesenheit geheimhalten. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand er in seinem zerlumpten Gewand etwas abseits von den anderen Männern. Da er keine Kopfbedeckung trug, leuchtete sein rotblondes Haar in der Nachmittagssonne wie Feuer.
    Abdullah folgte meinem Blick. »Ich hoffe, es war kein Irrtum, ihm zu erlauben hierzubleiben, Sitt. Er ist zwar wie der ärmste Bettler gekleidet, aber er sagte, daß Emerson ihn eingestellt habe, und als wir erkannten, daß er Engländer ist …«
    »Ja, ganz recht, Abdullah.« Also deshalb hatte der Bursche seinen Turban abgelegt. Unsere getreuen Männer hätten ihn sonst fortgejagt.
    Nemo schlenderte auf mich zu. »Guten Morgen, Mrs. Emerson. Oder sollte ich besser einen guten Abend wünschen? Ich bin etwas aus der Übung, was Höflichkeitsfloskeln anbelangt.«
    Der Bursche besaß doch die Dreistigkeit, sarkastisch zu sein. Seine gedehnte Stimme und der akzentuierte Tonfall, die höfliche Verneigung seines Kopfes (statt den Hut zu ziehen, den er nicht besaß) ließen auf eine hervorragende Erziehung schließen. Er hatte sich sogar rasiert. Ich muß zugeben, daß mich die vor mir stehende Erscheinung zu seinen Gunsten beeinflußt hätte, hätte ich nicht Anlaß zu dem Verdacht gehabt, daß er ein widerliches Doppelspiel trieb. Es war kein Wunder, daß ich ihn für einen Berber gehalten hatte. Seine hohen Wangenknochen und die Hakennase, die buschigen Brauen und die schmalen Lippen waren charakteristisch für diesen Volksstamm.
    »Wie geht es Ihrem Arm?« fragte ich.
    »Es wäre besser, wenn Sie das Thema nicht erwähnten.«
    »Es ist notwendig, daß ich es erwähne, da ich sicherstellen muß, ob Sie die vor Ihnen liegenden Aufgaben auch bewerkstelligen können«, erklärte ich. »Auf meinen Exkursionen lasse ich es nicht zu,

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