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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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großer Mann auf dem Rücken eines Esels einfach lächerlich wirkt.
    Ramses ritt hinter ihm und war in ein angeregtes Gespräch mit Nemo vertieft, der den Eselritt abgelehnt hatte und nun mit langen Schritten, die es mit dem Getrappel der Tiere spielend aufnehmen konnten, neben dem Jungen herging. Ich fragte mich, worüber sie sprachen.
    Meine Aufmerksamkeit galt allerdings nicht lange meinen unmittelbaren Begleitern, sondern wurde bald schon von dem großartigen Panorama vor mir abgelenkt. Die beiden Steinpyramiden von Dahschur erhoben sich vor dem Horizont. Die gleißende Mittagssonne wurde von dem weichen Sandstein reflektiert, und die Monumente schimmerten wie in Silber getaucht. Sie gehören zu den ältesten Begräbnisstätten Ägyptens und datieren sogar noch vor den mächtigen Pyramiden von Gizeh. Die höhere von den beiden wird an Größe nur noch von der Großen Pyramide übertroffen. Die Ausgrabungen Monsieur de Morgans hatten den Beweis erbracht, daß sie König Snofru aus der vierten Dynastie hatte erbauen lassen. (Emerson und ich hatten das selbstverständlich längst vermutet.)
    Der Name des Begründers der zweiten Steinpyramide war immer noch unbekannt. Das war eines der Geheimnisse, die wir in dieser Saison ans Licht bringen wollten. Aber nur eines ihrer Geheimnisse – denn diese zweite Steinpyramide weist im Gegensatz zu anderen Pyramiden eine Anzahl merkwürdiger Eigenheiten auf. Am seltsamsten ist ihre Form. Ein plötzlicher Wechsel in der Baustruktur, von einem Winkel von circa 45 Grad im unteren Teil zu einem abrupten Übergang von 42,59 Grad (falls mir mein Erinnerungsvermögen hier keinen Streich spielt) im oberen Teil, hat ihr den Namen >Gebeugte< oder >Stumpfe Pyramide< eingebracht. Warum diese Anomalie? Und was war der Grund für die merkwürdigen Winde, die gelegentlich durch die dunklen, muffigen inneren Gänge streiften?
    Ich interessiere mich besonders für das Innere von Pyramiden. Die erschreckende Dunkelheit, die beklemmende Stille und das Flattern von Fledermausflügeln üben auf mich eine seltsame Anziehungskraft aus. Obwohl ich mir geschworen hatte, viele Stunden anregender Erkundung innerhalb der Stumpfen Pyramide zu verbringen und den Ursprung der unerklärlichen, periodisch auftretenden Winde herauszufinden, wußte ich, daß ich von Emerson nicht viel Unterstützung zu erwarten hatte. Er duldet meine Leidenschaft für Pyramiden, teilt sie jedoch nicht, und er belächelte die Theorie, daß es innerhalb der Stumpfen Pyramide geheime Öffnungen und Kammern gäbe, auch wenn ich diese geheimnisvollen Winde selbst schon gespürt hatte. »Fledermäuse, Peabody. Unzählige Fledermäuse, die mit ihren lederartigen Flügeln schlagen und deine Kerzen auslöschen. Ich will deiner Phantasie nicht vorgreifen, meine Liebe, da sie in der Tat zu einer deiner reizendsten Eigenschaften zählt. Aber …«
    Es ist reine Zeitverschwendung, mit Emerson zu diskutieren, wenn seine Meinung hinsichtlich ägyptologischer Vorgänge bereits feststeht. Aber insgeheim hoffte ich, daß er das Phänomen einmal selbst erlebte – und wenn ich ihn gewaltsam im Inneren der Pyramide festhalten mußte, bis es eintrat.
    Sein Hauptinteresse galt in dieser Saison dem Begründer der Stumpfen Pyramide. Die Grabkammern der sechsten Dynastie sind mit Inschriften bedeckt, die auf ihre Erbauer hinweisen, aber, so merkwürdig es klingt, keine der früheren Grabstätten trägt auch nur eine einzige Inschrift. Die einzige Möglichkeit, sich den Namen des jeweiligen Königs zu erschließen, besteht darin, die damit verbundenen Baustrukturen – Tempel und Nebengräber, Befestigungswälle und Zugänge – zu untersuchen.
    (Im Hinblick auf eine spätere Veröffentlichung habe ich bei der Durchsicht dieser Tagebücher zum besseren Verständnis der werten Leserschaft, die mein Fachwissen nicht teilt, einige Passagen eingefügt. Erbauung, nicht Unterhaltung, ist mein Ziel, wie es auch das Ziel jedes interessierten Lesers sein sollte. Ich habe nicht die Absicht, den unzähligen Verlagsangeboten nachzugeben, meine persönlichen Tagebücher bereits zu Lebzeiten zu veröffentlichen, aber meine hohe Achtung vor der Wissenschaft gebietet mir, daß die interessanten und nützlichen Hinweise auf diesen Seiten der Menschheit eines Tages enthüllt werden. Da ich meinen Erben die qualvolle Arbeit der Recherche ersparen möchte – und mir natürlich auch selbst gerecht werden will, was sonst niemand für mich tun kann –, habe ich einige

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