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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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keuchenden Atems oder das Schnaufen eines riesigen Tiers? Ein Lichtfunke spiegelte sich …
    Dann sah ich nichts mehr, denn die Tür wurde plötzlich von Fackelschein erhellt. Die Fackelträger nahmen ihre Plätze hinter dem Stuhl am Fuße des Podestes ein. Darauf folgten einige Priester, angeführt von Pesaker; sie wandten sich nach links und stellten sich Schulter an Schulter vor der Nische auf. Ich hatte den merkwürdigen Eindruck, daß sie weniger das Wesen darin beschützten als es am Herauskommen hinderten.
    War es doch ein Tier? Die ägyptischen Pharaonen hatten Löwen gejagt, und obwohl die königlichen Geschöpfe inzwischen in Ägypten ausgestorben waren, kamen sie in Nubien immer noch vor. Ein gefangener Löwe, der sich von Menschenfleisch ernährt, den man abgerichtet hatte, die Feinde des Königs zu zerreißen und zu töten … mir hätte es sehr mißfallen, von einem Löwen gefressen zu werden. Noch mehr hätte es mir mißfallen, mitansehen zu müssen, wie Ramses von einer solchen Bestie gefressen wurde.
    »Mein Gott«, murmelte ich.
    »Peabody?« Emerson warf mir einen fragenden Blick zu. »Vielleicht hattest du recht, Liebling, als du sagtest, ich hätte eine blühende Phantasie.«
    Das Eintreffen Nastasens in vollem Ornat beendete unser Gespräch. Sein gefälteltes Leinengewand, die goldenen Sandalen und der schwere, mit Juwelen besetzte Kragen waren die eines Pharaos. Der Griff des Schwertes, das er im Gürtel stecken hatte, bestand aus in Gold gefaßtem Bergkristall. Nur die Krone fehlte noch, und – oh! – wie lüstern er sie beäugte, als er am Thron vorbeiging und auf dem Stuhl darunter Platz nahm.
    Wieder folgte Schweigen. Diese Leute hatten einen Hang zum Theatralischen! Die Verzögerung war angsteinflößend, oder hätte wenigstens Menschen Angst eingeflößt, die nicht, wie wir, über britische Unerschrockenheit verfügten. Emerson unterdrückte ein Gähnen. Ich ließ die Augenlider sinken, als langweilte ich mich. Also beschloß Nastasen, die Sache voranzutreiben. Er erhob seinen goldenen Stab und rief: »Bringt sie herein! Bringt die Schuldigen herein, damit sie vor der Macht des Gottes in den Staub sinken!«
    Ich hatte schon fast erwartet, Ramses und Tarek zu sehen, und war einen Augenblick lang erleichtert, als ich statt dessen ein kleines Grüppchen Menschen in einheimischen Gewändern erblickte. Doch meine Erleichterung dauerte nicht lange an, denn ich erkannte die Männer und stellte fest, daß sich auch einige Frauen und kleine Kinder unter den Leuten befanden. Emerson stieß einen Fluch aus und wollte schon aufspringen. Doch er wurde von einer Schlinge, die man ihm über den Kopf warf und eng um seine Brust zusammenzog, wieder auf seinen Stuhl zurückgerissen. Auch ich fühlte, wie mir mit einer ähnlichen Fessel Schultern und Arme an den Stuhl gebunden wurden; ein rascher Blick nach rechts sagte mir, daß es Reggie genauso ergangen war.
    »Diese Männer sind in doppelter Hinsicht Verräter!« verkündete Nastasen. »Erstens, weil sie ihre Pflicht nicht erfüllt haben. Und zweitens, weil sie ihre Seelen dem weißen Zauberer überantworteten. Sie werden gemeinsam mit ihren Familien sterben. Doch weil sie im Dienste meines Vaters tapfer gekämpft haben und unter dem Bann des Zauberers standen, werden sie die Ehre haben, durch Heneshems Hand ihr Leben zu verlieren.«
    Die Reihe der Priester vor der Nische teilte sich, und ein Mann trat heraus. Er war nicht größer als der kleinste der Priester, aber doppelt so breit, und er bestand nur aus Muskeln. Bekleidet war er lediglich mit einem Lendenschurz, und man hatte unter Einhaltung der rituellen Reinheitsgesetze seinen ganzen Körper, auch seinen Schädel rasiert. Durch die vorstehenden Augenwülste und die runden Wangen wirkten seine Augen wie kleine, schwarze Knöpfe, kalt und funkelnd wie Perlen aus Obsidian. Sein Hals war so dick, daß sein Kopf direkt auf den breiten Schultern zu ruhen schien. Obwohl er aussah, als könne er einen gewöhnlichen Menschen mit bloßer Hand zermalmen, trug er eine Waffe – einen Speer, dessen Spitze dunkle Flecken aufwies; nur ganz oben und an den Kanten funkelte sie wie poliertes Silber.
    Als er näherkam, tauchte das Licht der Fackeln seine geölte Haut in einen blutroten Schein. Er verbeugte sich tief vor Nastasen und noch tiefer vor der Nische und blieb wartend stehen.
    Bis jetzt hatten die Todgeweihten noch keinen Laut von sich gegeben. Reglos und bleich starrten sie ihren Henker mit leeren Augen

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