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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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packte ihn beim Arm. »Gehen Sie nicht! Bleiben Sie und beschützen Sie uns! Vielleicht ist es ein Trick …« »Ein Trick von Emerson?« fragte ich spöttisch. »Es ist hellichter Tag, und die meisten Männer sind noch an Bord. Setz dich, Bertha, und hör mit dem Gejammer auf!«
    Das Flehen einer hilflosen Frau schmeichelte Kevins männlicher Eitelkeit. Er legte den Arm um die zierlich, zitternde Gestalt des Mädchens und führte sie zu einem Sofa. Nachdem sie sich niedergelassen hatte, sah sie mich aus weit aufgerissenen, dunklen Augen an. Dann zerrte sie sich den Schleier vom Gesicht, als fühlte sie sich von ihm erstickt.
    »Er war vor Ihnen an der Tür«, sagte sie. »Warum hat der Hund Sie und nicht ihn angegriffen?«
    »Ich bin ihm im Weg gestanden«, antwortete ich. »Zufällig? Das glaube ich nicht. Ich sah, wie schnell Sie gelaufen sind. Wie sehr müssen Sie ihn lieben!« »Jeder Mensch hätte so gehandelt«, meinte ich knapp, denn es ist nicht meine Gewohnheit, meine innersten Gefühle mit fremden jungen Frauen zu erörtern.
    »Ich nicht«, widersprach Kevin ehrlich. »Wenigstens nicht, wenn ich vorher Zeit zum Nachdenken gehabt hätte.« Mit einem tiefen Seufzer tätschelte er Berthas Hand. »Ach ja, das ist der Fluch unseres verdammten britischen Moralkodex, den man uns von Kindheit an einbläut, bis er Teil unserer Natur wird. Ich habe mein bestes getan, ihn zu überwinden, aber es gab Situationen, in denen ich mich ganz automatisch wie ein Gentleman verhalten habe, ohne zuerst an meine eigene, teure Haut zu denken.«
    »Sicherlich nicht viele«, sagte ich.
    Bertha zitterte heftig. Kevin hatte sich neben sie gesetzt und säuselte ihr mit besonders widerwärtigem Akzent beruhigende Worte ins Ohr. Ich kümmerte mich nicht weiter um die beiden. Mein Blick hing an einem der großen Fenster des Salons, durch das ich gesehen hatte, wie Emerson in Höchstgeschwindigkeit das Flußufer hinaufgeeilt war. Ohne Hut und in Hemdsärmeln lief er in Richtung des Dorfes. Sein Haar flatterte wild im Wind. Die anderen waren ihm gefolgt, aber ich kümmerte mich auch nicht um sie, nicht einmal in meinen Gedanken.
    Sie kehrten früher zurück, als ich zu hoffen gewagt hatte. Am liebsten hätte ich vor Erleichterung aufgeschrien. Cyrus mußte ihn aufgehalten und ihm vernünftig zugeredet haben. Oder Emerson hatte – was wahrscheinlicher war – Zweifel bekommen. Denn für gewöhnlich war er Überzeugungsversuchen nicht sehr zugänglich, auch nicht dann, wenn sie auf Vernunftsgründen beruhten.
    Er und Cyrus gingen nebeneinander her, die beiden jungen Männer folgten ihnen in respektvollem Abstand. Ich war erfreut, Emerson und Cyrus in offenbar freundschaftlichem Gespräch zu sehen, und ich hätte viel darum gegeben, zu hören, worüber sie redeten. Aber das spielte, wie ich mir sagte, keine Rolle; ich würde es zu einem späteren Zeitpunkt von Cyrus erfahren.
14. Kapitel
    »Männer finden stets irgendeine beeindruckend klingende Ausrede für ihre Genußsucht«
    Die Schlange, das Krokodil und der Hund – wir waren ihnen begegnet und mit ihnen allen fertig geworden! Der letzte der drei Unheilsboten war der raffinierteste und gefährlichste gewesen. Hätte Emerson nicht daran gedacht, den Kadaver des Hundes untersuchen zu lassen, wäre ich vielleicht jetzt in den Fängen unseres Erzfeindes. Ich hielt ihm nicht vor, daß es ihm nicht schon früher eingefallen war. Auf diesen Gedanken – so unabweislich logisch er auch war – war auch ich nicht gekommen. Ich war zu der Zeit ein wenig verwirrt gewesen. Nur wer den entsetzlichen Schrecken am eigenen Leib verspürt hat, kann verstehen, daß es einem beim bloßen Gedanken an diese gräßliche Krankheit das Herz zusammenschnürt. Die Wunde auszubrennen ist die wirksamste Behandlung, aber sie bedeutete keine sichere Heilung.
    Emerson selbst war ebenfalls ein wenig verwirrt gewesen. Ich erinnerte mich an sein ernstes, bleiches Gesicht, als er sich über mich beugte, an die zusammengepreßten Lippen, als er sich darauf vorbereitete, den rotglühenden Stahl gegen mein Bein zu drücken. Aber seine starken Hände zitterten nicht, und in den lebhaften blauen Augen war nicht die Spur einer Träne zu sehen.
    Natürlich erwartet man von einem Mann seines Charakters eine solche Standhaftigkeit. Ich hätte es ihm jedoch nicht übelgenommen, wenn er sich ein paar mannhafte Tränen aus den Augen gewischt hätte.
    Die Augen, die mich nun anblickten, waren nicht strahlend blau, sondern stahlgrau

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