Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
Vom Netzwerk:
– meine eigenen im Spiegel über der Frisierkommode. Wir hatten uns alle nach dem Mittagessen in unsere Kabinen zurückgezogen. Die anderen hielten ein Nickerchen, und wahrscheinlich dachten sie, ich würde dasselbe tun. Cyrus hatte mich auf mein Bett gelegt und mich gebeten, auszuruhen. Emerson hatte im Vorbeigehen zur Tür hereingerufen: »Schlafen ist die beste Medizin, MISS Peabody, das hilft mir in aller Regel.«
    Wie hätte ich schlafen können? In meinem Kopf herrschte heillose Verwirrung. Ich war nicht deshalb zur Frisierkommode gehinkt, weil der Anblick meines Gesichts mir Vergnügen bereitet hätte, sondern weil ich in aufrechter Haltung besser nachdenken kann.
    Als Cyrus mich in mein Zimmer brachte, hatte ich die Gelegenheit genutzt, um ihn über das Gespräch auszufragen, das ich zufällig belauscht oder besser gesagt zufällig beobachtet hatte. »Ich versuchte gerade, ihm Vernunft beizubringen, meine Liebe«, lautete die Antwort. »Er war auf dem Weg zurück in die Wüste, als wir ihn trafen; er wollte sich noch einmal den toten Hund ansehen. Keine Sorge, er hat es sich anders überlegt.«
    Wenn dem bloß so gewesen wäre! Doch ich hegte meine Zweifel. Mir war es nie gelungen, Emerson so leicht zur Vernunft zu bringen.
    Zusätzliche Anregung zum Nachdenken erhielt ich aus den Briefen, die mich erwarteten. Cyrus’ Bote hatte sie, als er von unserer baldigen Rückkehr aus dem Wadi erfuhr, in meine Kabine gelegt. Ich schob das Vergnügen, Ramses’ neueste Mitteilung zu lesen, auf und widmete mich zuerst den anderen Briefen, denn ich hatte keinen Grund zu der Annahme, daß Ramses’ Schreiben mich beruhigen würde.
    Aus Luxor teilte Howard Carter mir in knappen Zeilen mit, daß durch die ganze Stadt Journalisten schwärmten, die ihn und unsere anderen Freunde mit der Bitte um ein Interview bedrängten. »Gestern war ich im Großen Säulensaal in Karnak«, schrieb er, »als plötzlich hinter einer Säule ein Kopf zum Vorschein kam und eine Stimme rief: ›Stimmt es, Mr. Carter, daß Mrs. Emerson bei der Rettung ihre Mannes zwei ihrer Schirme zerbrochen hat?‹ Ich dementierte das natürlich, doch stellen Sie sich, Mrs. Emerson, auf die schlimmsten Exzesse journalistischer Phantasterei ein. Ich denke aber, daß Sie an so etwas bereits gewöhnt sind.«
    Briefe von Freunden aus Kairo berichteten gleichfalls von äußerst ärgerlichen Überfällen und noch beleidigerenden Gerüchten. Der Brief von Sir Evelyn Barings Sekretär – dem er eine besorgte Notiz aus eigener Hand beigelegt hatte (aus der ganz offensichtlich sein Erstaunen sprach) – bot mehr Trost. Es war unmöglich gewesen, in solch kurzer Zeit den Aufenthaltsort sämtlicher Personen ausfindig zu machen, die ich auf meiner Liste verzeichnet hatte, doch die Nachforschungen gingen weiter. Und als ich die beigefügten Anmerkungen studierte, fragte ich mich, ob meine Theorie nicht vielleicht auf einem Irrtum beruhte. Diejenigen unserer früheren Feinde, die ins Gefängnis gewandert waren, saßen immer noch hinter schwedischen Gardinen. Achmet die Laus hatte man vor einigen Monaten ertrunken in der Themse gefunden. Das überraschte mich nicht; wer Opium raucht und damit handelt, hat keine hohe Lebenserwartung. Also blieben – ich zählte nach – sechs Personen übrig. Es gab zwar keine Garantie, daß nicht alle sechs hinter uns her waren, aber es wurden sichtlich weniger, was mich – wenn es auch unlogisch war – ziemlich ermutigte.
    Es ließ sich nicht länger aufschieben. Seufzend öffnete ich Ramses’ Brief.
    Liebste Mama und liebster Papa!
    Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß meine Fähigkeiten mehr auf intellektuellem als auf körperlichem Gebiet liegen, zumindest im Augenblick. Einen gewissen Trost bietet die Erkenntnis, daß meine körperliche Unvollkommenheit sich in gewissem Maße durch den natürlichen Lauf der Zeit verbessern wird – oder um einen gängigeren Begriff zu verwenden, wenn ich erst einmal erwachsen bin. Ich wage nicht zu hoffen, daß ich jemals den Grad an Körperkraft und Durchsetzungsvermögen erreichen werde, der Papa auszeichnet; die mir angeborenen Talente jedoch lassen sich durch beständige Ertüchtigung und durch die Übung in besonderen Fertigkeiten verbessern. Ich habe mir bereits ein Programm zusammengestellt und beabsichtige, dieses fortzuführen.
    Ein eisiger Schauder fuhr mir durch die Glieder. Ich gab mich keiner Illusion hin, welche Art von Fertigkeiten Ramses im Sinn hatte. Die meisten hatten mit dem

Weitere Kostenlose Bücher