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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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der Emerson ermorden wollte, hätte ich meine Pistole nicht rechtzeitig ziehen können. Das war die Tat einer wahrhaften, mutigen Frau.«
    Ein schwaches Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. »Vielleicht war es so, wie O’Connell sagte – ich hatte, bevor ich handelte, nicht die Zeit, darüber nachzudenken.«
    »Das würde dir noch mehr zur Ehre gereichen. Deine Instinkte sind aufrichtiger als dein bewußtes Tun. Oh, ich gestehe, daß ich gewisse Zweifel gegen dich gehegt habe. Du wirst lachen«, sagte ich lachend, »wenn ich dir sage, daß ich dich zuerst sogar für einen Mann gehalten habe.«
    Anstatt zu lachen, zog sie die Augenbrauen hoch und fuhr sich mit der Hand langsam über den Leib. Der Stoff schmiegte sich auf eine Weise an ihren Körper, der keinen Zweifel mehr erlaubte. »Für den Mann, den Sie Sethos nennen?« fragte sie. »Selbst verschleiert und in Frauenkleidern könnte nur ein sehr gerissener Mann mit einer solchen Maskerade durchkommen.«
    »Er ist ein sehr gerissener Mann. Das solltest du doch wissen.«
    »Ich glaube nicht, daß er es war.«
    »Er muß es aber gewesen sein. Obwohl ich nicht geglaubt hätte, daß er eine Frau so mißbrauchen könnte, wie er dich … Nun gut, das zeigt nur, daß selbst eine so gute Menschenkennerin wie ich sich manchmal täuschen läßt. In diesem Fall hat er ein passendes Pseudonym verwendet – die hinterhältige, kriechende Schlange, die Eva verführt hat.«
    Bertha beugte sich vor. »Wie sieht er denn aus?«
    »Ach, du weißt doch, das ist ja gerade das Problem. Seine Augen sind von unbestimmbarer Farbe; sie können grau oder blau oder braun oder sogar schwarz erscheinen. Auch seine übrigen Gesichtszüge sind leicht zu verändern. Er verriet mir einige der Mittel, die er benutzt, um sich zu maskieren.«
    »Also haben Sie mit ihm gesprochen – sind ihm begegnet?«
    »Äh … ja«, sagte ich.
    »Aber bestimmt«, sagte Bertha und sah mich an, »nützt keinem Mann eine noch so gute Verkleidung, wenn er einer Frau gegenübersteht, die … die so scharf beobachtet wie Sie. War er jung?«
    »Es ist leichter, einen alten Mann vorzutäuschen als einen jungen«, gab ich zu. »Und in seinem Versuch … aufgrund seiner ausgeprägten Eitelkeit hat er tatsächlich bestimmte Eigenschaften an den Tag gelegt, die wahrscheinlich seine eigenen sind. Er ist fast so groß wie Emerson – vielleicht knapp zwei Zentimeter kleiner – und hat eine gute Figur. In seinem Gang lag jugendlicher Schwung und körperliche Kraft, seine … Ich glaube, ich habe dir alles gesagt, was ich weiß. Soweit ich gesehen habe, würden diese Merkmale auf deinen einstigen Meister zutreffen.«
    »Ja.« Eine Weile saßen wir schweigend da, beide in die eigenen Gedanken versunken. Dann erhob sie sich. »Sie sollten sich ausruhen. Darf ich Sie noch etwas fragen, bevor ich gehe?«
    »Natürlich.«
    »Erinnert er sich an Sie?«
    »Er hat guten Grund, zu … Oh. Du meinst Emerson?« Ich war erschöpft; ein Seufzer entwich meinen Lippen. »Noch nicht.«
    »Ihm liegt viel an Ihnen. Ich habe sein Gesicht gesehen, als er das Messer an Ihr Bein hielt.«
    »Ich weiß, du willst mich aufmuntern, Bertha, und ich weiß das zu schätzen, aber ich fürchte, du verstehst den Charakter eines Briten nicht. Emerson hätte dasselbe für jeden getan, der Schmerzen litt, und er hätte dasselbe Mitleid verspürt für … für Abdullah. Besonders für Abdullah. Geh’ nun, und denk’ ernsthaft über den Beruf der Krankenschwester nach.«
    Ich wollte allein sein. Ihre Worte, obgleich sie freundlich gemeint gewesen waren, hatten mich tief getroffen. Wie gern hätte ich geglaubt, Emersons Sorge um mich sei mehr gewesen als die Anteilnahme, die jeder englische Gentleman einem leidenden Menschen entgegenbringen würde. Doch ich durfte mich keinen Illusionen hingeben. Und Emerson war unbestreitbar (trotz bestimmter Abweichungen von der Norm) ein englischer Gentleman.
    Obwohl ich mich an diesem Abend nicht ganz so tatkräftig fühlte wie gewöhnlich, wollte ich mich unbedingt zu den anderen gesellen. Ich gestehe, daß ich mir ein wenig wie eine Romanheldin vorkam, als ich – anmutig gestützt auf den Arm meines respektablen Freundes Cyrus und bekleidet mit meinem elegantesten Morgenrock – den Salon betrat. Es war derselbe Morgenrock, den ich in jener Nacht in Luxor getragen hatte, als Cyrus mit Walters Telegramm in mein Zimmer kam. Und als ich die Haken schloß und die Schleifen knüpfte, kam mir wieder die unbändige Angst in den

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