Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod
rief ich. »Wenn wir geglaubt hätten, daß ich – oder Emerson, auf den sie es eigentlich abgesehen hatten – angesteckt worden wäre, hätten wir uns auf den Weg nach Kairo gemacht. Unser Feind hätte uns abgefangen. Aber warum hätte er warten sollen, bis wir im Zug saßen? Eine bessere Gelegenheit, uns aufzulauern, hätte sich zwischen hier und Derut geboten – auf der Felukka, die uns über den Fluß gebracht hätte, oder auf der Straße zum Bahnhof. Er war hier, Cyrus – hier im Dorf, und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach beim › Omdeh ‹, denn dort finden Touristen Unterkunft – und dorthin ist Emerson gegangen, zum Haus des › Omdeh ‹! Wenn Sie nicht …«
Der Stuhl knarrte besorgniserregend. Cyrus lehnte sich zurück und starrte zur Decke.
»Cyrus«, sagte ich sehr sanft. »Sie wußten es. Sie haben mich angelogen, Cyrus. Ich habe Sie gefragt, wohin Emerson gegangen sei, und Sie sagten …«
»Das war zu Ihrem eigenen Besten«, widersprach Cyrus.
»Hol’s der Teufel, Amelia, mit Ihrem Scharfsinn jagen Sie mir manchmal eine Heidenangst ein. Sind Sie sicher, daß Sie nicht klammheimlich Hexerei betreiben?«
»Ich wünschte, ich könnte es. Manche Leute würde ich gern mit einem Bannfluch belegen. Schießen Sie los, Cyrus. Erzählen Sie mir alles.«
Natürlich hatte ich vollkommen recht gehabt. Eine Gruppe Touristen auf Pferden war an jenem Morgen eingetroffen. Zuerst hatten sie beim › Omdeh ‹ um Unterkunft ersucht, sich dann aber anders besonnen und waren, ein wenig überstürzt, kurz nach unserer Rückkehr wieder abgereist.
»Wahrscheinlich haben diese Leute gehört, wie Abdullah sagte, der Hund sei nicht tollwütig – oder jemand hat es ihnen gesagt«, überlegte ich.
»Zum Teufel, Abdullah konnte man in der ganzen Umgebung hören«, meinte Cyrus murrend.
»Es war nicht sein Fehler. Niemand ist dafür zu tadeln. Also deshalb hat Emerson heute nachmittag die nördlichen Klippen abgesucht! Er glaubt, die ›Touristen‹ seien immer noch in der Nähe. Das kann sehr gut sein; unser Feind wird wahrscheinlich jetzt kaum aufgeben. Und Emerson glaubt natürlich, er könne mit dem Kerl allein fertig werden. Das kann ich nicht zulassen. Wo ist Abdullah? Ich muß …«
Ich wollte schon meine Beine über die Bettkante schwingen. Cyrus eilte an meine Seite; sanft, aber mit Nachdruck zwang er mich liegenzubleiben. »Amelia, wenn Sie das nicht seinlassen, halte ich Ihnen die Nase zu und schütte Ihnen eine Dosis Laudanum in die Kehle. Sie werden ihre Verletzung nur noch verschlimmern, wenn Sie ihr nicht Zeit lassen, auszuheilen.«
»Sie haben ja recht, Cyrus«, sagte ich. »Es ist nur so verdammt lästig. Ich kann nicht einmal auf und ab laufen, um meinen angestauten Gefühlen Luft zu machen.«
Wie rasch Cyrus seine Verlegenheit überwunden hatte, mit mir allein in meinem Zimmer zu sein! Inzwischen saß er tatsächlich auf meinem Bett, und seine Hände ruhten noch auf meinen Schultern. Er blickte mir tief in die Augen.
»Amelia …«
»Wären Sie so gut, mir ein Glas Wasser zu bringen, Cyrus?«
»Gleich. Zuerst aber müssen Sie mich anhören, Amelia. Ich ertrage das nicht länger.« Aus Achtung vor Gefühlen, die meiner Überzeugung nach aufrichtig und tief waren, will ich die Worte nicht wiedergeben, die aus ihm heraussprudelten. Es waren Worte, die einfach und mannhaft waren, wie Cyrus selbst. Als er innehielt, konnte ich nur den Kopf schütteln und sagen: »Es tut mir leid, Cyrus.«
»Dann – gibt es also keine Hoffnung?«
»Sie haben sich vergessen, mein Freund.«
» Ich habe überhaupt nichts vergessen«, erwiderte Cyrus barsch. »Er verdient Sie nicht, Amelia. Geben Sie es auf!«
»Niemals«, sagte ich. »Niemals, und sollte es den Rest meines Lebens dauern.«
Es war ein dramatischer Augenblick. Ich glaube, meine Stimme und mein Blick wirkten überzeugend. Zumindest hoffte ich es.
Cyrus nahm die Hände von meinen Schultern und wandte sich ab. Ich sagte sanft: »Sie verwechseln Freundschaft mit tieferen Gefühlen, Cyrus. Eines Tages werden Sie der Frau begegnen, die Ihrer Liebe wert ist.« Er saß noch immer schweigend da, die Schultern vornüber gebeugt. Ich bin schon immer der Ansicht gewesen, daß man schwierige Situationen mit ein wenig Humor auflockern kann. Deshalb fügte ich fröhlich hinzu: »Und denken Sie nur – es ist sehr unwahrscheinlich, daß diese Frau einen Sohn wie Ramses bekommen wird.«
Cyrus straffte seine breiten Schultern. »Niemand sonst könnte einen
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