Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
Vom Netzwerk:
Sinn, die mich während dieser endlosen Tage gepeinigt hatte. Diese Erinnerung war sehr heilsam. Ganz gleich, welche Gefahren uns noch drohten – ganz gleich, wie zweifelhaft mein bisheriger Erfolg war, Emersons Zuneigung zurückzugewinnen –, keine Marter wäre vergleichbar mit diesen schrecklichen Stunden, in denen ich nicht gewußt hatte, ob er lebte oder ob ich ihn jemals wiedersehen würde.
    Auf den Gesichtern der Anwesenden, die sich zu meiner Begrüßung erhoben, lag ein Lächeln des Willkommens und (ich möchte nicht unbescheiden erscheinen, wenn ich das erwähne) der Bewunderung. Aber das Gesicht, das zu sehen ich gehofft hatte, war nicht darunter. Er war nicht da.
    »Verdammt!« entfuhr es mir unwillkürlich.
    Cyrus, der mir gerade half, mich aufs Sofa niederzulassen, hielt verdutzt inne. »Habe ich Ihnen weh getan? Ich bin ein so unbeholfener alter…«
    »Nein, nein, Sie haben mir nicht weh getan. Lassen Sie mich ruhig herunter, Cyrus.«
    René kam mit einem Glas in der Hand auf mich zugeeilt. Aus seinem Gesichtsausdruck war zu lesen, daß zumindest er gelbe Seide und Chantillyspitzen zu schätzen wußte. Schließlich war er ja auch Franzose.
    »Nein danke«, sagte ich. »Ich mache mir nichts aus Sherry.«
    »Hier bitte, Ma’am.« Kevin schob René beiseite. »Nach ärztlichem Rezept. Ich habe mir erlaubt, ihn schön stark zu machen. Gegen die Schmerzen.«
    Angesichts des Zwinkerns, mit dem er mir das Glas reichte, mußte ich unwillkürlich lächeln. Ich wußte, er dachte an eine bestimmte Begebenheit in London, als er mich in eines dieser seltsamen Etablissements eingeladen hatte, die man – so glaube ich – Kneipen nennt. Er wäre fast an seinem Drink erstickt, als ich einen Whiskey Soda bestellte. Nicht Kevin – dachte ich wieder –, nicht der junge Mann, der an meiner Seite gegen die maskierten Priester gekämpft und uns im Mordfall Baskerville beigestanden hatte – wenn er gerade einmal keine beleidigenden Geschichten über uns schrieb.
    »Und darf ich sagen«, fuhr Kevin fröhlich fort, »wie gut dieser gelbe Morgenmantel zu ihren sonnenverwöhnten Wangen und rabenschwarzen Locken paßt, Mrs. … äh … Miss Peabody.«
    »Schon gut«, sagte ich. »Er ist ja nicht da. Wo zum Teufel steckt er denn?«
    Es folgte ein kurzes, betretenes Schweigen. Blicke wurden ausgetauscht.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Ma’am«, meinte Charles. »Abdullah ist mit ihm gegangen.«
    Ich stellte mein Glas vorsichtig auf dem Tisch ab, bevor ich etwas sagte. »Gegangen?« fragte ich. »Wohin?« Alle Augen, auch die meinen, richteten sich nun auf Charles. Gerettet wurde er aus dieser peinlichen Situation durch das plötzliche Auftauchen von Emerson. Wie gewöhnlich ließ er die Tür offen. Er blickte mich an und sagte: »Ein Schlückchen Alkohol, MISS Peabody?« Dann trat er an den Tisch und schenkte sich selbst einen kräftigen Whiskey Soda ein.
    Verschiedene Antworten lagen mir auf der Zunge. Ich verwarf sie alle, weil sie unnötig provokativ und wenig aussagekräftig gewesen wären, und sagte statt dessen:
    »Glück gehabt?«
    Emerson drehte sich um und lehnte sich mit dem Glas in der Hand an den Tisch. Sein Gesichtsausdruck ließ das Schlimmste vermuten. Ich kannte diesen Blick gut – das Funkeln der saphirblauen Augen, die hochgezogenen Augenbrauen, das leise Zucken der Mundwinkel. »Blasiert« ist vielleicht nicht das richtige Wort dafür. Denn es drückt eine gewisse Steifheit aus, die man Emerson niemals und unter keinen Umständen zuschreiben könnte.
    »Selbstgefällig« trifft es schon genauer.
    »Glück?« wiederholte er. »Ich vermute, Sie würden das so bezeichnen; ich hingegen nenne es lieber das Ergebnis von Erfahrung und Fachkenntnis. Ich habe eine weitere Grenzstele gefunden. Ich dachte mir schon, daß am nördlichen Rand des Gebiets eine weitere stehen müßte. Sie ist in schlechtem Zustand, deshalb sollten wir die Inschrift so bald wie möglich kopieren.«
    Charles verschluckte sich an seinem Sherry. »Ich bitte um Verzeihung«, meinte er, nach Atem ringend, und preßte sich eine Serviette an die Lippen.
    »Schon gut«, sagte Emerson freundlich. »Zügeln Sie Ihre Begeisterung, Charles. Ich verspreche Ihnen, daß Sie der erste sein werden, der sich mit ihr beschäftigen darf.«
    »Danke, Sir«, erwiderte Charles.
    *
    »Ich begreife nicht, was mit mir los ist!« rief ich aus und preßte die Hände an meinen pochenden Kopf. »Normalerweise kann ich Emersons Gedankengang folgen, auch wenn er

Weitere Kostenlose Bücher