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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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schrägen Winkel nach oben zielte; den Finger hatte er am Abzug.
    Jetzt verstand ich, warum Emerson seinen Feind in die Höhle gelockt und die Waffe auf dem Boden liegengelassen hatte, als ob sie nutzlos gewesen wäre. Sie hatte nur eine Kugel enthalten, und die hatte Emerson so gewinnbringend wie möglich eingesetzt.
    Er schob mich beiseite und erhob sich. Nachdem ich mich herumgerollt hatte, setzte ich mich auf. Meine Ohren brausten noch von dem Lärm, in meinem Kopf drehte es sich. Wenn man sich erst einmal mit dem Tod abgefunden hat, dauert es seine Zeit, bis man sich wieder ans Leben gewöhnt.
    Vincey lag zusammengesunken auf dem Boden, mitten in einer Blutlache, die sich zusehends vergrößerte. Daneben lag auf dem Rücken noch ein Mann; Vinceys Kugel – die, die für uns bestimmt gewesen war – hatte ihn direkt in die Brust getroffen und ihn hintüber geschleudert. Das Licht der Laterne beleuchtete sanft sein stummes Gesicht und die reglos ausgebreiteten leeren Hände.
16. Kapitel
    »Körperkraft und moralisches Feingefühl, verbunden mit einem weichen Herzen – genau das wird von einem Ehemann erwartet.«
    »Zu spät!« rief ich händeringend. »Er hat sein Leben für uns geopfert! Oh, Charlie, wären Sie doch nur fünf Minuten früher gekommen!«
    Es hatte tatsächlich keine fünf Minuten gedauert, bis unsere Retter, mit Charlie an der Spitze, eingetroffen waren; nun kniete er mit gesenktem Kopf neben dem Leichnam seines gütigen Dienstherrn. Seine Trauer war so echt, daß ich es sehr bedauerte, ihn verdächtigt zu haben.
    »Ich bezweifle, daß die Zeit eine Rolle gespielt hätte«, sagte Emerson. »Beim ersten Geräusch hätte Vincey geschossen, und das Ergebnis wäre wahrscheinlich das gleiche gewesen.«
    »Sie haben recht«, sagte ich. »Verzeihen Sir mir, Charlie. Ich hatte ihn sehr gern; und nun hat er sein Leben hingegeben für … Was sagten Sie, Emerson?«
    »Nichts«, sagte Emerson.
    Langsam erhob sich Charlie. Schmerz und Leid zeichneten seine Züge. Ich wiederholte noch einmal meine Entschuldigung. Er versuchte zu lächeln. »Ich werde mir immer Vorwürfe machen, Ma’am. Nun können Sie ihn uns überlassen – mir und René. Sie sehen ziemlich mitgenommen aus. Gehen Sie bitte und trösten Sie Abdullah. Als ich ihn zuletzt sah, versuchte er gerade, zwei mit Gewehren bewaffnete Kerle zu überwältigen.«
    Wir trennten Abdullah von seinen Opfern; sie hatten nur versucht, sich zu verteidigen, und sie flohen bei der erstbesten Gelegenheit. »Für Erklärungen ist später Zeit, Abdullah«, sagte ich besänftigend. »Es war alles ein Versehen.«
    »Solange du nicht zu Schaden gekommen bist«, murmelte Abdullah. Weil es zu dunkel war, um deutlich sehen zu können, vergaß er sich und tastete Emerson mit besorgter Miene ab; und gewiß hätte er das gleiche auch bei mir getan, wenn es nicht unschicklich gewesen wäre.
    Unsere treuen Männer stritten sich um das Vorrecht, mich tragen zu dürfen, deshalb erlaubte ich Ihnen, sich dabei abzuwechseln. Emerson bot seine Hilfe nicht an. Mit dem Kater im Arm stapfte er so geistesabwesend einher, daß er nicht einmal Abdullahs hartnäckige Fragen zu hören schien.
    Schließlich sagte ich: »Wir werden dir die ganze Geschichte später erzählen, Abdullah, nachdem wir uns ausgeruht haben. Gib dich fürs erste damit zufrieden, daß es nun vorbei ist. Äh … es ist doch vorbei, nicht wahr, Emerson? Emerson!«
    »Was? Oh. Ja, ich glaube schon. Es waren noch weitere Personen beteiligt – leider allzu viele; aber das sind vor allem Leute, die Vincey auf den Leim gegangen sind, oder gedungene Mörder. Er war die treibende Kraft. Jetzt, da er nicht mehr unter den Lebenden weilt, haben wir wahrscheinlich nichts mehr zu befürchten.«
    »Hast du ihn getötet, O Vater der Flüche?« fragte Abdullah gespannt.
    »Ja«, sagte Emerson.
    »Das ist gut«, sagte Abdullah.
    Erst als wir die Nofretete erreicht hatten, setzte Emerson Anubis ab und nahm mich aus den Armen von Daoud in Empfang, der zuletzt an der Reihe gewesen war. »Ruht euch aus und eßt, meine Freunde«, sagte er. »Wir werden später zu euch kommen.«
    Anubis lief vor uns über den Landungssteg. Als ich beobachtete, wie munter er dahintrottete und seinen toten Herrn offenbar ohne den leisesten Anklang von Bedauern oder Reue vergessen hatte, konnte ich Abdullahs abergläubische Furcht vor diesem Tier fast verstehen. »Vincey hatte ihm beigebracht, einem Pfiff zu gehorchen«, sagte ich leise. »Auf diese Weise ist

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