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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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billig war – und erwiderte, daß ich mir die Entführung nicht erklären könne.
    Cyrus war zu gewieft, um mir das abzunehmen – oder vielleicht kannte er mich auch so gut, daß er meine Vorbehalte spürte. Jedenfalls war er zu sehr Gentleman, um meine Worte anzuzweifeln. »Nun, ich will Ihnen einmal sagen, was ich vermute. Er ist nicht tot. Andernfalls hätte man seine … äh … hätte man ihn schon gefunden. Es muß sich also um eine Lösegelderpressung handeln. Warum sollten sie ihn sonst gefangenhalten?«
    »Es gibt noch andere Gründe«, erwiderte ich und mußte dabei ein Schaudern unterdrücken.
    »Schlagen Sie sich das aus dem Kopf, Mrs. Amelia. Geld ist ein viel stärkerer Beweggrund als Rache. Ich wette, daß Sie eine Lösegeldforderung erhalten. Und wenn nicht – nun, dann setzen wir eben eine Belohnung aus.« Wenigstens konnten wir so etwas tun. Am nächsten Tag klebte an jedem Baum und an jeder Mauer in Luxor eines unserer rasch gedruckten Plakate. Aus Gründen, die ich Cyrus nicht erläutern konnte, rechnete ich nicht mit Erfolg; und tatsächlich bezog sich der Brief, der am gleichen Abend eintraf, nur indirekt – wenn überhaupt – auf unser Angebot.
    Die Nachricht wurde von einem zerlumpten Fellachen überbracht, der sich so bereitwillig ausfragen ließ, daß an seiner Unschuld wenig Zweifel bestand. Er war nur ein Bote; den Mann, der ihm den Brief übergeben, ein bescheidenes Trinkgeld bezahlt und ihm versichert hatte, er werde bei Ablieferung eine größere Belohnung erhalten, kannte er nicht. Die wenigsten Menschen haben eine gute Beobachtungsgabe. Doch aus der verworrenen Beschreibung des Boten ging hervor, daß Kleidung und Erscheinung des Mannes nichts Auffälliges an sich gehabt hatten. Wir entließen den Boten mit der Verheißung ungeahnter Reichtümer, falls es ihm gelänge, weitere Informationen zu beschaffen. Ich hielt ihn für ehrlich. Und wenn er es nicht war, würden wir ihn eher durch Bestechung als durch Bestrafung zugänglich machen.
    Cyrus und ich hatten in der Bibliothek gesessen. Nachdem der Bote gegangen war, drehte ich den Briefumschlag immer wieder in den Händen hin und her. Er war, in großen Druckbuchstaben, an mich adressiert. Als Absender war der Name eines der großen Hotels in Luxor angegeben.
    »Wenn Sie den Brief lieber allein lesen möchten …«, sagte Cyrus. Er hatte mich um Erlaubnis gebeten, rauchen zu dürfen, und hielt eine seiner langen dünnen Zigarren zwischen den Fingern.
    »Das ist nicht der Grund, warum ich zögere«, erwiderte ich. »Ich habe Angst, ihn zu öffnen, Cyrus. Er ist der erste Hoffnungsschimmer, den ich sehe. Wenn er sich als trügerisch erweisen sollte … Doch Feigheit gehört nicht zu meinen Eigenschaften.«
    Entschlossen griff ich nach einem Brieföffner.
    Ich las den Brief zweimal. Cyrus sagte währenddessen kein Wort, was ihn große Mühe gekostet haben muß, denn als ich ihn ansah, hatte er sich mit gespanntem Gesichtsausdruck nach vorne gebeugt. Wortlos reichte ich ihm den Brief.
    Ich hätte ihn auch einem anderen Menschen, dem ich weniger vertraut hätte als meinem alten Freund, gegeben, ohne zu befürchten, damit das tödliche Geheimnis zu verraten. Ich habe noch keinen Brief eines Schurken gelesen, der in solch höflichem Ton abgefaßt war und seine Drohung so taktvoll formulierte. Schon durch die bloße Berührung des Papiers fühlte ich mich besudelt.
    Ihr Gatte ist nicht geneigt, sich uns anzuvertrauen begann der Brief.
    Er behauptet, sein Gedächtnis ließe ihn im Stich. Es erscheint unglaubwürdig, daß ein Mensch nach so kurzer Zeit eine so bemerkenswerte Reise vergessen kann; doch die jüngsten Ereignisse könnten durchaus eine nachteilige Wirkung auf seinen Geist wie auf seinen Körper gehabt haben. Jedoch zweifle ich nicht daran, daß Sie über ein besseres Erinnerungsvermögen verfügen, welches Sie uns liebend gerne zur Verfügung stellen würden, sei es brieflich oder persönlich. Ich werde morgen nachmittag gegen fünf auf der Terrasse des Winter Palace Hotels anzutreffen sein, wo ich Sie zu einem Aperitif erwarte. Lassen Sie mich, als einem Ihrer größten Bewunderer, versichern, daß ich tief enttäuscht wäre, falls Sie einen Vertreter dorthin schicken sollten.
    Cyrus schleuderte das Blatt zu Boden. »Amelia«, rief er aufgebracht. »Sie werden doch nicht etwa hingehen? So dumm würden Sie doch nicht sein?«
    »Aber Cyrus!« rief ich aus.
    Mein Freund zog ein riesiges schneeweißes Taschentuch aus Leinen hervor

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