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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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wußte sie wie jeder, der Emerson kennt, daß er unter der Folter nur noch hartnäckiger schweigen würde. Er ist nicht schwer verletzt, außer … Sicherlich erinnern Sie sich, daß wir beim Lesen des Briefes zu dem gleichen Schluß kamen: Er müsse vorgegeben haben, unter Gedächtnisschwund zu leiden. Nur, daß er es nicht nur vorgab, Cyrus. Er … er hat mich nicht wiedererkannt.«
    Cyrus schnappte nach Luft. »Opium führt zu merkwürdigen Sinnestäuschungen«, meinte er dann.
    »Er war völlig vernünftig. Seine Antworten klangen sinnvoll – für seine Verhältnisse wenigstens. Obwohl es möglicherweise nicht sehr vernünftig ist, einen Mann, der einen in Ketten gefangenhält, mit Beleidigungen und sarkastischen Bemerkungen zu überhäufen.«
    Cyrus lachte auf. »Typisch Emerson. Aber …«
    »Ich irre mich nicht, Cyrus, auch wenn mir das lieber wäre! Er hat mir nicht nur geradewegs ins Gesicht gesehen und mich mit ›Madam‹ angesprochen, sondern er hat davor gesagt … er hat gesagt, er würde nie so dumm sein, sich eine Ehefrau aufzuhalsen.«
    Cyrus’ Versuche, mich zu trösten, wurden von der Ankunft des Arztes unterbrochen. Diesmal war es nicht der aufgeblasene, kleine Franzose, mit dessen medizinischer Inkompetenz ich mich bei früherer Gelegenheit hatte herumärgern müssen. Er war ein Engländer, der aus gesundheitlichen Gründen in ein wärmeres Klima übergesiedelt war. Offenbar hatte dieser Schritt die gewünschte Wirkung gezeitigt; obwohl er graubärtig und klapperdürr war, bewegte er sich schwungvoll wie ein junger Mann, und seine Diagnose bestätigte mir, daß wir Glück gehabt hatten, an ihn geraten zu sein.
    Er sagte, wir könnten nur warten, bis die Wirkung des Opiums nachgelassen habe. Zwar sei es eine ziemlich hohe Dosis gewesen, aber der Patient habe nicht lange unter dem Einfluß des Giftes gestanden. Es bestehe also Anlaß zu der Hoffnung, daß die Genesung angesichts seiner guten körperlichen Verfassung nicht übermäßig lange dauern oder qualvoll verlaufen würde. Die einzige schwere Verletzung war die Wunde am Hinterkopf, die Dr. Wallingford allerdings weniger Sorgen bereitete als mir. »Kein Schädelbruch«, murmelte er, während er die Stelle mit vorsichtigen Fingern betastete. »Vielleicht eine Gehirnerschütterung …, doch das können wir nicht mit Genauigkeit feststellen, ehe der Patient nicht wieder zu Bewußtsein gekommen ist.«
    »Sein Gedächtnisschwund …« fing ich an.
    »Meine liebe gnädige Frau, es wäre ein Wunder, wenn sein Gedächtnis nach so einem Schlag auf den Kopf und täglichen Opiumdosen nicht verwirrt wäre. Seien Sie guten Mutes. Ich habe keinen Zweifel daran, daß er sich vollständig erholen wird.«
    Dann ging der Arzt, nachdem er versprochen hatte, am nächsten Tag wiederzukommen. Außerdem gab er mir Anweisungen, die ich zwar nicht brauchte, die mich aber zusätzlich beruhigten, da sie mit meinen eigenen Plänen übereinstimmten: den Patienten warmhalten, ihn ruhigstellen und versuchen, ihm Nahrung einzuflößen. »Hühnerbrühe«, murmelte ich geistesabwesend. Wie zur Bestätigung ertönte ein leises, melodiöses Miauen. Anubis, der Kater, war lautlos wie ein Schatten hereingekommen. Ich fuhr zusammen, als er aufs Bett sprang, Emerson von Kopf bis Fuß inspizierte und an seinem Gesicht schnupperte. Abdullahs Abneigung gegen dieses Tier gründete sich wohl auf Unwissenheit und Aberglauben, doch auch ich begann – müde und besorgt, wie ich war – allmählich, seine Auffassung zu teilen. War der bärtige Lump, der Emerson gefangengehalten hatte, Anubis’ Herr gewesen? Ich hatte sein Gesicht nicht erkennen können. Die Stimme hatte mich an Vinceys erinnert, doch ich war mir dessen nicht sicher, denn der höhnische Tonfall hatte sich so von der sanften, wohlerzogenen Stimme des Mannes, den ich erst seit kurzem kannte, unterschieden. Anubis kehrte zum Fußende zurück, wo er sich niederließ und anfing, seine Schnurrhaare zu putzen. Ich entspannte mich wieder und kam mir ein wenig albern vor.
    Cyrus, der den Arzt zur Tür begleitet hatte, kehrte zurück. Er verkündete, daß der Koch Hühnersuppe aufgesetzt habe, und fragte, ob er noch helfen könne.
    »Nein, danke. Er hat ein wenig Wasser getrunken, was ein gutes Zeichen ist. Ich bin ziemlich beeindruckt von Dr. Wallingford.«
    »Er hat einen ausgezeichneten Ruf. Aber wenn Sie lieber jemanden aus Kairo kommen lassen möchten …«
    »Warten wir noch ein wenig. Ich nehme an, Sie haben viele Fragen,

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