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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Schultern, als hätte es sich bei einem Kampf gelöst. Ihr angeblicher Entführer hielt sie an den Armen fest und drehte sie aus dem Lichtschein, so daß man ihre Gesichtszüge kaum hätte erkennen können, selbst wenn die Mundpartie nicht von einem weißen Tuch verdeckt gewesen wäre.
    »Sie haben Besuch, Sir«, sagte der Unbekannte und ahmte dabei spöttisch einen Butler nach. »Wollen Sie denn Ihre Frau nicht liebevoll begrüßen?«
    Emersons Gesicht blieb regungslos. Nur seine Augen bewegten sich; sie wanderten vom Kopf der Frau bis zu ihren Stiefeln und wieder zurück. »Offenbar tatsächlich eine Frau«.
    Seine Worte kamen so schleppend, daß es anstößig klang.
    »Läßt sich auf den ersten Blick schlecht feststellen, mit dieser seltsamen Tracht …«
    »Sie behaupten, Sie erkennen Ihre eigene Frau nicht?«
    »Ich bin nicht verheiratet«, sagte Emerson ruhig. »Ich mag wohl eine Menge Dinge vergessen haben, aber dessen bin ich mir sicher.«
    »Sie widersprechen sich, Professor. Wie können Sie sich einer Sache sicher sein, wenn Sie angeblich an Gedächtnisverlust leiden?«
    Ein keuchendes Lachen entrang sich Emersons aufgesprungenen Lippen. »Was mir auch immer aus dem Gedächtnis entschwunden sein mag, eine so grandiose Dummheit hätte ich wohl kaum vergessen. Nicht einmal in meiner schwächsten Stunde wäre ich ein so verdammter Narr, mir eine Frau aufzuhalsen.« Seine Augen verengten sich, und er fuhr fort: »Ist sie vielleicht die Frau, die mir gestern Essen und Wasser gebracht hat … oder vorgestern … kann mich nicht erinnern …«
    Ihm fielen die Augen zu. Die Frau hatte den Kopf gesenkt – vor Scham, hoffte ich. Der Mann, der sie festgehalten hatte, ließ sie los. Sie wich an die Wand zurück und zog sich den Knebel aus dem Mund.
    »Er wird ohnmächtig«, flüsterte sie. »Laß mich ihm etwas geben – wenigstens Wasser …«
    Der Schurke hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt und bedachte sie mit einem spöttischen Lächeln. »›O Weib! In unseren Stunden des Friedens unsicher, scheu und schwer zu erfreuen. Doch wenn Schmerz und Angst uns quälen, ein hilfreicher Engel.‹ Also hilf ihm. Wenn er stirbt, bevor ich diese verfluchte Frau zu fassen kriege, habe ich keine Möglichkeit mehr, sie zum Sprechen zu bringen.« Er drehte sich zur Tür um und fügte, über die Schulter gewandt, hinzu: »Aber beeile dich!«
    Sie wartete, bis die Tür ins Schloß gefallen war, dann erst entspannte sie sich. Ein langer Seufzer entrang sich ihren Lippen.
    »Ich habe das weibliche Geschlecht noch nie verstanden«, sagte eine Stimme vom Bett. »Warum lassen Sie sich eine solche Behandlung gefallen?«
    Sie wirbelte herum und sah ihn an. »Sie sind wach? Das habe ich mir gedacht. Sie haben nur so getan, als ob …«
    »Nein … nicht ganz«, erwiderte Emerson.
    Sie kniete sich neben das Bett, hielt ihm eine Tasse Wasser an die Lippen und stützte ihm den Kopf, während er hastig trank. Als er ihr dankte, war seine Stimme fester geworden. Sie legte ihm den Kopf behutsam auf die harte Matratze und starrte ihre blutbefleckten Finger an.
    »Es will nicht heilen«, flüsterte sie. »Haben Sie Schmerzen?«
    »Ich habe grauenhaftes Kopfweh«, gab Emerson zu.
    »Und Ihre armen Hände …« Ihre Finger glitten langsam seinen rechten Arm hinab und berührten das geschwollene, blutige Fleisch an seinem Handgelenk.
    »Es wäre angenehm, sich ein wenig auszustrecken.« Seine Stimme hatten sich verändert. Ich kannte diesen säuselnden Ton, und ein Schauder durchlief mich. Selbst jetzt noch mißfällt es mir, daß ich die Empfindung zuließ, die den Schauder auslöste. So etwas habe ich nicht nötig, glaube ich.
    Emerson sprach im selben Tonfall weiter. »Wenn meine Arme frei wären, könnte ich besser ausdrücken, wie sehr ich Ihre Freundlichkeit zu schätzen weiß.«
    Sie lachte kurz auf, mit Koketterie und Hohn in der Stimme. »Nun, warum nicht? Sie können an den Wächtern nicht vorbei, dafür sind Sie nicht kräftig genug. Und falls Sie glauben, die Freiheit zu erlangen, indem Sie mich zur Geisel nehmen, täuschen Sie sich. Kein englischer Gentleman würde einer Frau etwas antun. Er weiß das.«
    Die Schlüssel für die Handschellen lagen auf dem Tisch. Ich erkannte, welche ausgeklügelte Grausamkeit darin steckte: die Freiheit in Sichtweite – aber unerreichbar. Als sie sich über ihn beugte, um die Fesseln zu lösen, strich ihm eine Strähne ihres Haars über das Gesicht.
    Nun gut! Ich möchte gerne glauben, ich hätte

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