Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
der Sonne verbrannt, und er bewegte sich so steif wie ein vom Rheuma geplagter alter Herr. Ein paar Wochen Routinearbeit auf einer Ausgrabungsstätte würden ihn in Form bringen – allerdings waren unsere Ausgrabungen meist alles andere als Routine, und diesmal versprachen sie, noch gefährlicher als sonst zu werden. Ich konnte nur inständig hoffen, daß wir mit unserem gutgemeinten Versuch, unseren lieben Verwandten zu helfen, nicht deren Leben gefährden würden.
Nicht solange wir den Überblick behalten, dachte ich mit einem zärtlichen Blick auf Emersons entschlossenes Profil. Ich schob meine unheilvollen Vorahnungen beiseite und wandte mich an Walter.
»Obwohl ich unser nettes Beisammensein nicht stören möchte, Walter, muß ich dir und Evelyn sagen, was bis jetzt geschehen ist. Die Geschichte ist ziemlich lang …«
Lächelnd fiel Walter mir ins Wort. »Vermutlich ist sie kürzer als Ramses’ Version. Zweifellos, liebe Schwägerin, unterscheidet sich deine Deutung der Vorfälle von seinen, aber die Tatsachen selbst brauchst du nicht mehr zu wiederholen.«
»Amelias Deutungen unterscheiden sich immer von denen ihrer Mitmenschen«, sagte Emerson. »Ich muß zugeben, daß wir anfangs Ziel gewisser … äh … Aufmerksamkeiten waren. Sie alle richteten sich darauf, uns an der Entdeckung des Grabes zu hindern. Da wir es nun gefunden haben, gibt es keinen Grund, weshalb diese Aufmerksamkeiten andauern sollten.«
Mit der Miene eines Mannes, der ein Schlußwort gesprochen hat und sich gegen jede weitere Erörterung des Themas verwahrt, zog er seine Pfeife heraus.
Ramses räusperte sich. »Bei allem Respekt, Vater, aber deine Hypothese erklärt nicht alle diese … äh … Aufmerksamkeiten. Das merkwürdigste Ereignis war das Auftauchen von Mr. Shelmadine und sein darauffolgendes Verschwinden. Er mußte doch wissen, daß seine Andeutungen auf alte Kulte und Wiedergeburt nur deinen Unwillen wecken würden, anstatt dich zu überzeugen. Und wenn der Ring eine Fälschung war, hat er viel Geld und Mühe investiert, um ihn anfertigen zu lassen.«
Evelyn warf mir einen fragenden Blick zu. Ich schüttelte den Kopf. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um den anderen unsere jüngste Entdeckung mitzuteilen. Ich hatte vor, mir diesen letzten Trumpf aufzuheben, der Emersons Zweifel hinwegfegen und ihn zu dem Eingeständnis zwingen würde, daß ich die ganze Zeit recht gehabt hatte.
»Er war nicht ganz richtig im Kopf«, sagte Emerson barsch. »Die Ägyptologie hat schon so mancher übergeschnappten Theorie Nahrung gegeben.«
»Richtig«, stimmte Walter zu. »Aber ist es nicht ein merkwürdiger Zufall, daß ein Bursche ausgerechnet mit dieser übergeschnappten Theorie auftaucht, kurz nachdem du beschlossen hattest, das Grab ausfindig zu machen?«
Allmählich verlor Emerson die Geduld. Da er zuerst Luft holen mußte, konnte er nicht rechtzeitig etwas sagen, weshalb ich ihm zuvorkam.
»Es ist genau andersherum, Walter«, erklärte ich. »Eigentlich wollte Emerson auf dem Friedhof der Siebzehnten Dynastie arbeiten, doch nach Mr. Shelmadines Besuch fing er an, die Hinweise zusammenzufügen. Emerson, jetzt streite es nicht ab! Du hast selbst gesagt: ›Jemand hat Tetischeris Grab gefunden. Das wäre der einzige Grund für all diese hektische Betriebsamkeit.‹«
»Für Shelmadines Besuch gibt es keine vernünftige Erklärung«, fauchte Emerson. »Das war ein reiner Zufall.«
»Und sein Tod war wohl auch ein Zufall?« wandte ich ein. »Die Leiche ist identifiziert worden, Emerson.«
Mein Gatte runzelte die Stirn. »Woher weißt du das, Amelia? Verdammt, du hast dich mit der Kairoer Polizei in Verbindung gesetzt. Wie hast du …«
»Du weißt doch, daß Sir Eldon Gorst ein alter Freund von mir ist. Er hat mein Telegramm vor ein paar Tagen beantwortet. Shelmadines Identität wurde durch …«
Ich hielt inne. Ich ärgere Emerson nur selten, aber diesmal konnte ich der Versuchung nicht widerstehen.
»Nun?« fragte er. »Sei nicht so verdammt theatralisch, Amelia. Vermutlich durch den Ring.«
»Nein, durch eine Dame, die … äh … gewisse körperliche Merkmale wiedererkannte. Der Ring wurde nicht bei Mr. Shelmadine gefunden. Er befindet sich momentan im Besitz von Miss Marmaduke.«
Die Schauspielerei hat mich schon immer interessiert, und ich hatte einige dramatische Kunstgriffe eingesetzt, um meine Ankündigung einzuleiten – Verzögerung, Verwirrung und schließlich das, was man, wie ich glaube, den dramatischen
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