Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
mutigen Schritt entschlossen hatte, lange Hosen und ein Herrensakko zu tragen. Evelyns Pumphosen bauschten sich noch weiter als meine und waren überdies leuchtend blau. Ihre kniehohen Stiefel waren offenbar nagelneu.
»Ich weiß nicht, warum du Zeit mit Gesprächen über meine Kleidung verschwendest, Walter«, meinte Evelyn kühl. »Wir sollten lieber zu unserem gestrigen Thema zurückkehren.«
Emerson – dem natürlich nichts Ungewöhnliches an Evelyns Erscheinung aufgefallen war – knallte seine Tasse auf den Unterteller. »Ich habe keineswegs die Absicht, dies zu tun. Muß ich euch daran erinnern, daß es sich hier um eine archäologische Ausgrabung handelt? Wir haben eine Menge Arbeit vor uns und noch immer zuwenig Leute.«
»Du weißt, Radcliffe, daß wir dir jederzeit zur Verfügung stehen«, ergriff Walter das Wort. »Sag uns, was getan werden muß.«
Emerson schob seine Tasse weg und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. »Zweifellos ist es das Grab von Tetischeri. Doch die Malereien … kurz und gut, sie sind nicht das, was ich erwartet habe. Möglicherweise finden wir Antworten auf die Fragen, die mir im Kopf herumgehen, wenn wir den Eingang erst einmal freigelegt haben.«
Er hielt inne, um seine Pfeife zu stopfen, und Ramses nützte diese kurze Pause. »Von den Malereien im Korridor ist sowenig übrig, daß man von einer mutwilligen Zerstörung ausgehen muß.«
»Was?« entfuhr es Walter. »Wie kommst du denn darauf?«
»Eine vergebliche Frage, lieber Walter«, seufzte ich. »Bitte fang jetzt nicht damit an, sonst müssen wir uns stundenlang seine Erklärung anhören. Ich vermute, daß die Malereien auf den Putz aufgetragen wurden, der von der Wand abgefallen ist und nun auf dem Boden des Korridors liegt. Die Fragmente mit den Inschriften, die wir gestern gefunden haben, gehörten zu diesen Malereien. Verflixt, Emerson, eigentlich sollte ich deine Geheimnistuerei inzwischen kennen, aber warum schweigst du dich darüber aus? Wenn du nicht schon früher auf andere Fragmente gestoßen wärst, würdest du dir nicht solche Mühe geben, den Schutt durchzusieben.«
»Vermutlich reine Gewohnheit«, antwortete Emerson ein wenig verlegen. »Ich habe wirklich ein paar Splitter entdeckt, die jedoch nicht größer als zehn Zentimeter sind. Der Großteil davon ist mittlerweile wahrscheinlich zu Staub zerfallen, aber ich hoffe, noch einige auf dem Boden zu finden.«
»Deshalb arbeitest du so langsam.« Die Bewunderung siegte über Walters Ärger. »Jeder andere Archäologe hätte diesen Hinweis übersehen, Radcliffe.«
»Möglicherweise ist es ja nicht von Bedeutung«, gab Emerson zu. »Aber man kann nie wissen.« Er zog die Uhr aus der Tasche, warf einen Blick darauf und erhob sich mit einem finsteren Brummen. »Wenn ihr jetzt mit eurem Verhör fertig seid, darf ich mich vielleicht wieder an die Arbeit machen.«
Im Laufschritt holte ich ihn ein, bevor er die Gangway erreichte. »Welche kleinen Geheimnisse hast du mir sonst noch vorenthalten?« fragte ich.
Unter gerunzelten Brauen hervor sah er mich an. »Ach, interessierst du dich nun plötzlich auch für das Grab? Ich bitte dich, deine Detektivarbeit nicht meinetwegen zu vernachlässigen; nichts läge mir ferner, als dich an der Durchsuchung fremder Kabinen und an deinen sinnlosen Theorien über Spione und Verbrecherbanden zu hindern.«
»Seltsam, findest du nicht«, sagte ich, »daß Signor Riccetti sich nicht mehr hat blicken lassen? Bestimmt lauert er irgendwo im verborgenen und schickt seine …« Emerson schlang die Arme um mich und drückte mich so fest, daß mir die Luft wegblieb. »Du bist ein hoffnungsloser Fall, Peabody! Entwickle Theorien, soviel du willst, und durchsuche meinetwegen jedes Zimmer in Luxor – versprich deinem geplagten Ehemann nur, daß du keine leichtsinnigen Risiken eingehen wirst. Keine Verfolgung von Verdächtigen in finsteren Seitenstraßen, kein Einbruch in Riccettis geheimen Schlupfwinkel …«
»Ach, hat er einen geheimen Schlupfwinkel? In Luxor?«
Emerson bemühte sich, die Stirn zu runzeln und ein Lachen zu unterdrücken, und brachte mich mit einem heftigen Kuß zum Schweigen. »Versprich es mir, Peabody.«
»Emerson, die anderen sehen uns zu. Die Kinder …«
»Versprich es mir!«
»Ich schwöre.«
Ruhig und entschlossen küßte Emerson mich noch einmal.
»Es kann nie schaden, anderen ein gutes Beispiel zu geben«, stellte er mit einem Blick auf unsere Zuschauer fest, zu denen nicht nur unsere Familie,
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