Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor
für sein neu erwachtes Interesse. Wir haben seit Jahren nichts mehr von ihm gehört. Es sei denn …«
»Es sei denn?« bohrte David.
»Es sei denn, sie hätte in der Zwischenzeit von ihm gehört. Vermutlich hätte sie uns das aber nicht auf die Nase gebunden.«
»Sie erzählt uns nie was«, bemerkte Nefret ungnädig. »Warum fragst du sie nicht einfach?«
»Warum tust du es nicht? Es liegt an ihren Augen«, murmelte Nefret und verdrehte theatralisch die ihren. »Dieser tückische Grauton ist selbst dann gefährlich, wenn sie sich bester Laune erfreut, und wenn sie wütend ist, dann wirken sie wie zwei … wie zwei glitzernde Stahlkugeln.« Sie erschauerte in gespieltem Entsetzen.
»Das ist keineswegs lustig«, sagte David.
»Nein«, stimmte ihm Nefret zu. »Du hast sie gestern abend nicht gesehen, die Arme; sie war mit Prellungen übersät. Wenn der Professor Sethos zu fassen kriegt, wird er ihn in Stücke reißen, und ich würde liebend gern mitmachen.«
»Vater hat alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen«, sagte Ramses, »sie so rasch wie möglich aus London und aus England fortzuschaffen.«
»Das reicht nicht«, erklärte Nefret. »Was ist, wenn er ihr nach Ägypten folgt?«
»Das ist eher unwahrscheinlich.«
»Das sagst du. Und wenn doch? Wir müssen wissen, wie wir sie beschützen können! Wenn sie uns nicht die notwendige Information liefert, müssen wir es selbst herausfinden! Nun, Ramses?«
Ramses lächelte verhalten. »Zum Teufel mit dir, Nefret, ich wünschte wirklich, du könntest meine Gedanken nicht erraten. Das hat nichts mit Sethos zu tun. Ich dachte gerade an etwas anderes. Wußtest du, daß Mutter einmal eine Liste sämtlicher Personen zusammengestellt hat, die einen Groll gegen sie oder Vater hegten? Fünfzehn Namen standen darauf verzeichnet, und das war vor einigen Jahren.«
»Fünfzehn Personen, die den Wunsch hatten, sie zu töten?« Nefret grinste. »Wie typisch für sie, daß sie eine hübsch geordnete Liste anlegt! Hat sie sie dir gezeigt?« »Nein, nicht direkt.«
Nefret schmunzelte. »Nichts für ungut, Ramses. Ich weiß, daß Herumschnüffeln keineswegs nett ist, aber welche Alternative bleibt uns? Wer waren diese Personen?«
Ramses rühmte sich seines Erinnerungsvermögens, das er sich (ebenso wie einige eher unrühmliche Fertigkeiten) durch ständiges Training erworben hatte. Er leierte eine Reihe von Namen herunter. Seine Gefährten hingen an seinen Lippen. Zwar hatten sie die Emersons noch nicht auf ihren frühen Ägyptenreisen begleitet, dennoch waren beide mit sämtlichen Vorfällen vertraut. »Die Abenteuer von Tante Amelia«, wie Nefret sie bezeichnete, hatten viele ihrer Mußestunden bereichert.
»Ein Großteil davon bezieht sich auf alte Feindschaften«, bemerkte David, nachdem Ramses geendet hatte. »Von denen einige sicherlich nicht mehr aktuell sind. Willst du damit andeuten, daß es nicht Sethos, sondern ein anderer, früherer Widersacher war, der sie gestern angegriffen hat?«
»Nein. Ich ziehe lediglich alle Möglichkeiten in Erwägung. Die meisten sind in der Tat tot oder im Gefängnis«, fügte Ramses mit einem Grinsen hinzu. »Mutter hat sich Notizen gemacht und ihre Liste aktualisiert.«
»Was ist mit der Frau, die mich anläßlich der Sache mit dem Nilpferd entführte?« fragte Nefret.
»Ihren Namen haben wir nie erfahren, oder? Ein weiteres von Mutters kleinen Geheimnissen. Allerdings befanden sich nur zwei Frauen auf der aktualisierten Liste. Bertha war die Verbündete des Schurken in dem Fall, von dem wir neulich sprachen, aber sie hat sich letzten Endes auf Mutters und Vaters Seite geschlagen. Also bleibt nur noch eine als Matilda aufgeführte weibliche Person übrig, die die Ganovin in der Nilpferd-Geschichte gewesen sein muß. Es besteht jedoch kein Grund zu der Annahme, daß sie nach so vielen Jahren wieder aufgetaucht ist.«
»Es besteht überhaupt kein Grund zu der Annahme, daß irgendeiner von ihnen wieder aufgetaucht ist.« Nefret griff nach ihren Handschuhen. »Es ist schon spät, wir sollten aufbrechen. Ich schätze deine Gründlichkeit, Ramses, aber warum sollten wir nach irgendwelchen Schurken Ausschau halten, wenn wir eindeutig wissen , wer für den Anschlag auf Tante Amelia verantwortlich ist? Sethos ist zurückgekehrt! Und wenn der Professor und Tante Amelia nicht preisgeben wollen, was wir zu ihrem Schutz wissen müssen, sind wir berechtigt, jede uns genehme, illegale Methode zum Einsatz zu bringen.«
Kevins Informant beim
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