Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor
geschickt und hätte vielleicht Wirkung gezeigt, doch zu meiner Bestürzung mußte ich feststellen, daß mir mein vermeintlich stärkster Verfechter in den Rücken fiel. »Nun ja, ich verstehe deine Einstellung, Walter«, sagte Emerson mit der Leutseligkeit, die normalerweise seinen Temperamentsausbrüchen folgt. »Für die Kleine bestünde aber nicht die geringste Gefahr, wenn sie bei mir wäre – was hast du gesagt, Ramses?«
»Ich sagte ›bei uns‹, Vater. Verzeih mir, wenn ich dich unterbreche, aber ich fühle mich verpflichtet, zum Ausdruck zu bringen, daß sowohl ich als auch David im Ernstfall unser Leben riskierten …«
»Sei nicht so verflucht melodramatisch«, schnaubte Emerson. »Wie schon gesagt, die kleine Amelia wäre bei uns vollkommen sicher, aber vielleicht ist es so doch besser. Ich habe beschlossen, daß wir umgehend nach Ägypten aufbrechen werden. Wir werden morgen nach Kent zurückreisen, unsere Ausrüstung zusammenpacken und gegen Ende der Woche in See stechen.«
»Das ist unmöglich, Emerson«, entfuhr es mir. »Ich habe noch nicht alle Einkäufe erledigt, und du hast dein Buch noch nicht fertiggestellt, und …«
»Zum Teufel mit deinen Einkäufen, Peabody«, sagte Emerson und sah mich dabei zärtlich an. »Und ebenso mit meinem Buch. Mein Schatz, ich beabsichtige, dieser verdammten Stadt umgehend den Rücken zu kehren. Verflucht, hier sind mir einfach zu viele Menschen, einschließlich dieses verteufelten Subjekts. Sollte Sethos uns nach Ägypten folgen, dann gnade ihm Gott. Laß uns jetzt zu Bett gehen. Ich möchte früh aufstehen.«
Am darauffolgenden Morgen reisten Walter und Evelyn mit ihrem todunglücklichen Kind ab und ließen Mrs. Watson, ihre hervorragende Haushälterin, zurück, die sich um das Haus und die Bediensteten kümmern sollte. Ich rechnete damit, daß Emerson darauf beharrte, mit dem Automobil nach Kent zurückzufahren, zu meinem Erstaunen jedoch gab er ohne großes Murren nach, als ich ihm erklärte, daß ich die Annehmlichkeiten einer Zugreise bevorzugte. Er wies Ramses an, nicht schneller als zwanzig Stundenkilometer zu fahren, und überreichte Nefret eine groteske Schutzmaske. Wo er die aufgetrieben hatte, ist mir schleierhaft. Die getönten Gläser waren in Leder eingefaßt und mit Seide unterfuttert, und sie verliehen ihr das Aussehen eines furchtsamen Käfers.
Aus Manuskript H
»Nimm sie ab«, sagte Ramses. »Mittlerweile sind wir außer Sichtweite.«
Nefret, die neben ihm auf dem Beifahrersitz hockte, gestikulierte wie wild mit den Armen. Er konnte nicht ausmachen, ob die gedämpften Geräusche hinter der schmalen Mundöffnung Gelächter, der Versuch einer Antwort oder das Keuchen einer Frau waren, die keine Luft mehr bekam. »Zieh sie ihr aus, David«, befahl er entsetzt.
David, der sich im Fond des Wagens befand, zerrte an den Verschlüssen, bis diese nachgaben. Seine Artikulation war einwandfrei zu deuten, und sobald die gräßliche Maske von ihrem Gesicht entfernt wurde, stimmte Nefret in sein Fluchen ein. »Der Teufel sollte diesen fürsorglichen Mann holen«, keuchte sie, während sie sich vor Lachen schüttelte. Ihr offenes Haar flog ihr ins Gesicht, bis sie es schließlich unter einer eng sitzenden Kappe verbarg.
Gelegentlich – und unter den anfeuernden Zurufen von Nefret – hatte Ramses den Daimler auf achtzig Stundenkilometer gebracht. Eine solche Geschwindigkeit wäre in den überfüllten innerstädtischen Straßen undenkbar gewesen, und der Fahrlärm machte jede Unterhaltung unmöglich, bis sie schließlich zur Teezeit in einem Dorf außerhalb der Stadt Rast einlegten. Zur Belustigung der anderen Gäste ließ Nefret beide die Maske aufsetzen, und dann wandten sie sich dem Geschäftlichen zu. Seit dem vorangegangenen Tag bot sich ihnen zum erstenmal wieder die Gelegenheit zu einem privaten Gespräch.
»Die Situation hat sich zugespitzt«, verkündete Nefret.
»Gütiger Himmel«, sagte Ramses. »Meinst du wirklich?«
»Ramses«, murmelte David.
»Oh, er kümmert mich nicht«, sagte Nefret. »Er versucht nur wieder, scheußlich zu sein, scheußlich blasiert. Du hast dich geirrt, nicht wahr, mein lieber Junge? Sethos hatte vielleicht keine Ahnung, daß Tante Amelia an der Demonstration teilnehmen würde, trotzdem haben wir ihn nicht zum letztenmal gesehen. Er ist erneut hinter ihr her!« Sie biß in ein Stück Teegebäck. »Das scheint tatsächlich der Fall zu sein«, gab Ramses zu. »Was mir nicht in den Kopf will, ist der Auslöser
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