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Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken

Titel: Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Pferde wirkten immer so, als wären sie zu lange geritten und nicht entsprechend gepflegt worden. Er verharrte gerade solange, bis er dem Stallknecht aufgetragen hatte, das Pferd abzureiben und ihm Wasser zu geben. Im Innenhof war niemand. Im Laufschritt eilte er durch den Gang zu ihren Zimmern. Schon als Kind hatte ihn irgend etwas an Percy abgestoßen, und er hatte ständig zwischen Ablehnung und Verachtung geschwankt. Und was er einige Wochen zuvor über seinen Cousin erfahren hatte, machte den Gedanken, daß er allein mit Nefret war, für ihn unerträglich.
    Er bezweifelte nicht, daß sie sich zu verteidigen wußte, doch als er sie in Percys tolpatschiger Umarmung erblickte, siegte nackte Mordlust über jeden anderen Gedanken und jede Empfindung.
    Ein herrliches Gefühl.
    Ihr an ihn geschmiegter Körper und ihre Fingernägel, die sich in seine Haut gegraben hatten, brachten ihn wieder zur Besinnung. Langsam und vorsichtig löste er seine Hände von ihrer Taille. Ihr Gesicht war aschfahl. Er hoffte, daß er ihr nicht weh getan hatte. Das hatte er nicht gewollt.
    Percy war mit einer solchen Wucht vor die Wand geprallt, daß mehrere Photos vom Regal gefallen waren, und jetzt kniete er und umklammerte seinen Unterleib. Einige passende Worte sorgten dafür, daß er aufsprang und das Weite suchte. Immerhin besaß er so viel Verstand, nichts zu erwidern, doch der Blick, den er Ramses zuwarf, sprach Bände. Nun ja, sie gaben ein überaus reizendes Bild ab, dachte Ramses – das verzweifelte Mädchen klammerte sich an ihren Retter, ihr goldener Schopf ruhte an seiner Brust, sein starker Arm umfing sie. Vermutlich war Percy nicht in der Lage, zu erkennen, daß er sie nicht umarmte, sondern hochhob. Sie stand auf seinen Füßen.
    Jedenfalls hatte sie ihr Vorhaben durchgesetzt. Er hatte Percy nicht das Genick gebrochen. Das war vermutlich auch besser so. Sie wußte, daß er in der Lage war, einen Menschen umzubringen, doch der Mord an einem Familienmitglied hätte unangenehme Folgen für die Betroffenen nach sich gezogen.
    Das war nett von ihr gewesen. Wenn sie nur endlich verschwinden würde und aufhörte zu reden, aufhörte, ihn zu berühren, und ihm die Gelegenheit gäbe, wieder zur Beherrschung zu finden … Sie sagte, sie wolle keinen Brandy. Sie bat ihn, zu warten, während sie sich umzog. Ihr Haar hatte sich gelöst, ihre Lippen bebten und ihr Kleid war zerrissen. Erneut überkam ihn mörderische Wut, und er trat ans Fenster, weil er sie nicht anschauen konnte.
    Dann vernahm er ein seltsames, leises Geräusch, halb Seufzen, halb Schluchzen, und er drehte sich um. Als er ihr Gesicht betrachtete, raubte es ihm den Atem. Dieser Blick war unverkennbar, er hatte lange genug darauf gewartet. Wenn er zu ihr ging, das wußte er, dann würde sie sich unweigerlich in seine Arme stürzen, trotzdem zwang er sich zur Zurückhaltung. Der nächste Schritt, der letzte, mußte von ihr kommen. Es lag an ihr, sofern ihre Zuneigung der seinen entsprach.
    Schließlich stolperte sie auf ihn zu. Sie trafen sich auf halbem Wege.
    Als sie in der Dunkelheit vor Sonnenaufgang schweigend in seinen Armen lag, spürte er eine Träne auf seiner Schulter und fragte, warum sie weinte.
    »Ich fühle mich wie Sinuhe.«
    Er lachte kurz auf und zog sie enger an sich heran. »Aber bestimmt nicht wegen mir, oder?«
    »Du weißt genau, was ich meine«, prustete sie, und ihr Atemhauch streifte seine Haut.
    »Ich glaube schon. Aber ich möchte es von dir hören.«
    »Ich fühle mich wie ein Verbannter, der endlich heimgekehrt ist.«
    Daraufhin schlief sie ein, aber er lag wach und hielt sie in seinen Armen, bis der Morgen dämmerte und sie sich lächelnd streckte.

    Als Emerson und ich an jenem Morgen zum Haus zurückkehrten, standen sie wartend vor der Eingangstür – ein alter Mann und eine verschleierte Frau mit einem kleinen, überaus schmutzigen Kind. Ich hielt die Frau für eine von Nefrets erkrankten Patientinnen; sie war sittsam in das klassische dunkelblaue Gewand gehüllt, ohne das sich keine Frau, gleich welcher Gesellschaftsschicht, in die Öffentlichkeit gewagt hätte; doch die schwarzen, hinter ihrem Schleier sichtbaren Augen waren stark mit Kajal umrahmt, und der billige Schmuck verriet eindeutig ihre Berufsgruppe. Der Mann, dessen staubiggrauer Bart nach parfümiertem Öl roch, trug einen farbenfrohen Seidenkaftan mit einem bunten Schal als Gürtel. Entweder hatten sie nicht den Mut aufgebracht, nach Nefret zu fragen, oder Ali hatte sich

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