Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken
Tagebuchaufzeichungen von Reisenden und Staatsdienern. Die von Mr. Peabody zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind nicht intoleranter und ignoranter als die vieler seiner Zeitgenossen; im Gegenteil, die Parallelen zwischen seinem Œuvre und anderen Memoiren sind so gravierend, daß man meinen könnte, er habe sich dieser schamlos und freimütig bedient. Doch auch wenn der Gedanke an ein strafbares Plagiat auf der Hand liegt, möchte die Herausgeberin darauf nicht näher eingehen.
Wie stets bin ich befreundeten Anhängern der Ägyptologie zu Dank verpflichtet für ihre konstruktive Unterstützung und die Beschaffung schwer zugänglicher Materialien: Dennis Forbes (dessen Opus magnum Gräber, Schätze, Mumien jetzt erhältlich ist); George B. Johnson; W. Raymond Johnson, dem Direktor des Chicago House in Luxor; und insbesondere Peter Dorman vom Institut für Orientalistik, der das umfangreiche Manuskript gelesen und eine Reihe von Fehlern ausgemerzt hat.
Mein tief empfundener Dank gilt auch den großartigen, kompetenten und begeisterungsfähigen Mitstreitern von Avon Books, die die Emersons unisono unter ihre Fittiche genommen haben: den Verlegern Mike Greenstein und Lou Aronica; den Super-Publizistinnen Joan Schulhafer und Linda Johns; und insbesondere Trish Grader, meiner Lieblings-Lektorin. Ihr hättet Amelia bestimmt zu einem Umdenken hinsichtlich ihrer unhöflichen Bemerkungen gegenüber »dem publizistischen Gewerbe« bewegen können.
Ein Hinweis auf die arabische und die altägyptische Schreibweise ist in diesem Zusammenhang unerläßlich. Beide Sprachen kennen den Gebrauch von Vokalen nicht, so daß gewisse Transliterationen nicht eindeutig wiedergegeben werden können beziehungsweise Varianten entstanden sind. Mrs. Emerson neigt zu der in ihrer Jugend gängigen Schreibweise, bedient sich jedoch in einigen Fällen auch des modernen Äquivalents. In diesem Zusammenhang bittet die Herausgeberin bei gelegentlich auftretenden Widersprüchlichkeiten um Nachsicht.
1. Kapitel
Bei Tagesanbruch griffen sie an. Der Lärm donnernden Hufschlags weckte mich auf, und mir war schlagartig klar, was das bedeutete. Die Beduinen waren auf dem Kriegspfad!
»Was erheitert dich denn so, meine Liebe?« wollte ich wissen.
Nefret blickte von ihrem Buch auf. »Tut mir leid, wenn ich dich gestört habe, Tante Amelia, aber ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen. Hast du je davon gehört, daß sich die Beduinen auf den Kriegspfad begeben? Vermutlich mit Federkopfschmuck und gezückten Tomahawks!«
Die Bibliothek unseres Hauses in Kent ist eigentlich das Heiligtum meines Gatten; aufgrund ihrer angenehmen Atmosphäre versammelt sich allerdings die gesamte Familie gern dort, insbesondere bei schönem Wetter. Mit Ausnahme meines Sohnes Ramses hatten wir uns an diesem herrlichen Herbstmorgen alle dort eingefunden; ein kühler Wind strömte durch die riesigen, geöffneten Fenster, und das Sonnenlicht zauberte goldene Reflexe auf Nefrets rotblondes Haar.
Nefret, die es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte, trug anstelle eines sittsamen Kleides einen bequemen, aus Rock und Bluse bestehenden Zweiteiler. Seit wir sie aus der entlegenen Oase in der nubischen Wüste zu uns geholt hatten, wo sie die ersten 13 Jahre ihres Lebens verbracht hatte, war sie mir so lieb geworden wie eine Tochter. Allerdings war es mir trotz aller Bemühungen nicht gelungen, ihr sämtliche dort angenommenen Eigenheiten auszutreiben. Emerson behauptet, daß sie einige dieser sonderbaren Einstellungen von mir übernommen hat. Ich halte meine Abneigung gegenüber Miedern und meinen Glauben an die Gleichberechtigung der Frau nicht für absonderlich, muß jedoch zugeben, daß Nefrets Angewohnheit, mit einem langen Messer unter dem Kopfkissen einzuschlafen, etwas ungewöhnlich anmutet. Allerdings sehe ich keinen Grund zur Kritik, da unsere Familie häufiger mit gefährlichen Zeitgenossen konfrontiert ist.
Hingegossen an seinen Schreibtisch, knurrte Emerson mißfällig wie ein verschlafener Bär, den man mit einem Stöckchen gereizt hat. Mein geschätzter Gatte, der berühmteste Ägyptologe aller Zeiten, sah einem solchen Pelztier in diesem Augenblick überhaupt recht ähnlich: seine breiten Schultern steckten in einer scheußlichen, viel zu engen Jacke aus braunem Wollstoff (die er sich irgendwann einmal ohne meine Beratung gekauft hatte), und seine schwarzen Locken waren wild zerzaust. Er arbeitete an seinen Aufzeichnungen unserer letzten Ausgrabungssaison und
Weitere Kostenlose Bücher