Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken
einige meiner Lieblingsgerichte dazu, unter anderem auch eine riesige Schüssel mit gedünsteten Hibiskusblüten in Limonensaft. Als eine Platte der anderen folgte und es immer wärmer im Raum wurde, nahm Geoffreys normalerweise blasses Gesicht eine leichte Röte an, und schließlich fiel er mit einem unterdrückten Stöhnen gegen die Kissen.
»Ich möchte ja nicht kapitulieren, Mrs. Emerson«, flüsterte er. »Aber ich glaube, ich kann nicht mehr. In meinem ganzen Leben habe ich noch nicht so viel gegessen!«
»Sie haben sich hervorragend verhalten«, versicherte ich ihm. »Kosten Sie ab jetzt einfach nur.«
Als wir schließlich das Haus verließen und zum Dorfplatz schlenderten, wo das Freudenfest stattfinden sollte, verspürten wir alle ein unangenehmes Gefühl der Übersättigung. Man hatte Stühle für uns aufgestellt (ich bemerkte, daß Geoffrey sichtlich erleichtert war, weil er nicht länger auf einem Kniekissen kauern mußte), und bunte Laternen säumten den Platz.
Die grundsätzlichen Unterhaltungselemente dieser Feste bestehen aus Musik und Tanz. Die Ägypter lieben Musik; diese Tradition läßt sich bis weit in die Antike zurückverfolgen. Der Gesang der modernen Ägypter ist für westliche Ohren zunächst ungewohnt. Mittlerweile fand ich diese Musik bezaubernd, wenn sie gut vorgetragen wurde, und damit rechnete ich an besagtem Abend. Die Trommler stimmten ihre Instrumente – mit Tierhäuten bespannte Keramikgefäße unterschiedlicher Grö ßen – und gaben einen sanften Rhythmus vor. Es war phantastisch, die Bewegungen ihrer langen Finger und der geschmeidigen Handgelenke zu beobachten; und noch berauschender, den vielfältigen Klängen zu lauschen, die ihre Fingerfertigkeit hervorrief. Das Trommeln wurde schneller und lauter, und weitere Instrumente gesellten sich hinzu – Pfeife und Flöte, Laute und Zimbal und die Kemantsche, ein seltsam anmutendes, arabisches Saiteninstrument, das wie eine Geige mit einem Bogen gespielt wird.
Der Höhepunkt des Abends war die Vorstellung des berühmtesten Sängers aus der Umgebung, der sich gnädig bereit erklärt hatte, zur Feier des Tages aufzutreten. Er war beileibe nicht mehr jung; doch als er die Hände trichterförmig um seinen Mund legte und seine Stimme erhob, war deren Klang so bezaubernd, daß die anderen Musiker innehielten, so daß nicht einmal der leiseste Schlag der Trommel die einzigartige Darbietung unterbrach. Mit Tänzern und Jongleuren männlichen und auch weiblichen Geschlechts – die allerdings nie gemeinsam auftraten – und einem begnadeten Geschichtenerzähler nahm das Fest seinen Lauf. Schließlich handelte es sich nicht allein um ein Hochzeitsfest, sondern auch um die offizielle Legitimation zweier Menschengruppen, die jetzt gesetzlich und emotional verbunden waren. In diesem Zusammenhang hätte ich gern etwas gesagt, doch Emerson warnte mich bereits im Vorfeld, daß er mich mit allen Mitteln davon abhalten würde, sofern ich es wagte, eine Rede zu halten. Statt dessen formulierte er in seinem blumigsten Arabisch eine Ansprache, in der er die beiden jungen Paare erwähnte – und mehrere Gedichte rezitierte, die beileibe nicht so abgedroschen waren, wie ich befürchtet hatte. Seine Rede, und im besonderen seine Poesie, fand großen Anklang.
Der Abend endete mit einem Feuerwerk, das – wie Selim stolz erwähnte – überaus kostspielig gewesen war. Während wir davonfuhren, verhallten der Lärm der Knallfrösche und die Abschiedsgrüße unserer Freunde in der Dunkelheit. Die Heimfahrt in den offenen Kutschen war zwar lang, aber auch sehr romantisch, denn die Sterne funkelten wie Diamanten, und der nächtliche Wind kühlte die vor Freude und Aufregung geröteten Gesichter. Emerson hüllte mich fürsorglich in einen Schal. Falls er sich mehr erhoffte, so wurde das aufgrund der Anwesenheit unseres Sohnes vereitelt, der mit unbestechlicher Logik erklärte, daß die andere Kutsche mit fünf Insassen überfüllt gewesen wäre.
11. Kapitel
Ein Engländer, der sich den Usancen der Araber unterwirft, übt Verrat an jedem seiner im östlichen Mittelmeerraum lebenden Landsleute. Die Grundzüge ihrer Sprache zu beherrschen ist sinnvoll, um Betrügereien vorzubeugen; das Tragen einheimischer Kleidung ist gelegentlich angenehm und bequem; aber die Akzeptanz ihrer korrupten Moralvorstellungen untergräbt unser Ansehen. Die Frauen beispielsweise …
Aus Manuskript H
Nach der langen Nacht holte Emerson sie bereits wieder früh aus den Federn. Er
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