Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken

Titel: Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
Vom Netzwerk:
Trennung der Geschlechter nicht so stringent durchgeführt. Abgeschirmte Harems oder Frauengemächer findet man lediglich in den Häusern der Reichen, und nur ein wohlhabender Mann kann sich den Luxus einer Frau leisten, die nichts zur Haushaltsführung beiträgt. Eine solche Frau dient lediglich als schmückendes Beiwerk und als Hinweis auf seinen Erfolg. (Sicherlich muß ich in diesem Zusammenhang nicht näher auf gewisse unangenehme Parallelen zu unserer eigenen Gesellschaft eingehen; ich möchte nur an die Damen der englischen Oberschicht erinnern, die auch nichts anderes tun, als sich teuer zu kleiden und in ihren Kutschen spazierenzufahren, um andere teuer gekleidete Damen zu besuchen.)
    Die ägyptischen Frauen aus der fellachischen Landbevölkerung arbeiten schwer, und es geht ihnen meiner Ansicht nach besser als vielen anderen ihrer Geschlechtsgenossinnen. Sicherlich sind sie in vielen Fällen nicht zu beneiden, trotzdem besitzen sie Rechte, die den Engländerinnen bislang noch verwehrt sind. Sie verfügen über eigenen Besitz, und bei einer Scheidung oder im Todesfall des Ehemannes steht ihnen per Gesetz ein Teil seines Eigentums zu. Von betagten Ägypterinnen, die mehrere Ehemänner überlebt haben, heißt es, daß sie zu den reichsten Bürgerinnen gehören, die häufig sogar Geld zu schwindelerregend hohen Zinsen verleihen (und zweifellos ihre Macht genießen).
    Aber ich schweife ab. Das Dorf Atiyah, in dem unsere Männer mit ihren Familien lebten, verkörperte eine Struktur, die ihresgleichen sucht. Es war nicht nur ungewöhnlich sauber, sondern bot auch eine Reihe von Annehmlichkeiten, wie man sie in solch kleinen Orten nur selten antrifft. Abdullah und seine Familienangehörigen hatten hohe Löhne verlangt (und auch verdient), und ich wage zu behaupten, daß unsere langjährige Bekanntschaft einige ihrer Weltanschauungen veränderte. Ägypten unterlag einem Wandel, der zwar nur langsam und nicht immer positiv erkennbar wurde, aber die jüngeren Männer wie beispielsweise Selim standen neuen Ideen wesentlich unvoreingenommener gegenüber als noch ihre Väter.
    Abdullahs Tod lag fast fünf Jahre zurück, doch wann immer ich durch das Dorf schlenderte, suchte ich automatisch nach der großen, würdigen Gestalt, die uns früher als erste begrüßt hatte. Jetzt war es Selim, der Sohn und Nachfolger jenes außergewöhnlichen Mannes, der uns zu unserem Freudenfest willkommen hieß. Das Dorf war mit bunten Fahnen und Girlanden geschmückt, der Lärm war ohrenbetäubend – Hundegebell, Trommelwirbel, Kindergeschrei –, und über allem lag das schrille Kreischen der Frauen. Eine Ehrengarde eskortierte uns zu Selims Haus, wo das Fest seinen Anfang nahm.
    Teppiche und Kissen bedeckten den Boden des Hauptraums, und man drängte uns, Platz zu nehmen. Ich legte großen Wert darauf, neben Geoffrey zu sitzen, da ich annahm, daß er einige taktvolle Verhaltenshinweise begrüßen würde. Sicher, die Ägyptologen waren weniger engstirnig als andere Nicht-Ägypter, trotzdem begaben sich nur wenige von ihnen auf die gesellschaftliche Ebene ihrer Arbeiter, und einige hatten noch nie ägyptisches Essen probiert.
    Ignorante Zeitgenossen sehen die Ägypter um eine Platte geschart, von der sie mit beiden Händen Speisen in den Mund schaufeln. In der Tat aber ist dieses Vorgehen überaus elegant und anmutig. Nachdem wir uns um ein riesiges, als Tisch dienendes Kupfertablett versammelt hatten, gossen Bedienstete Wasser über unsere Hände, das in eine Schale mit filigranem Deckel ablief, dann trockneten wir sie mit einem uns gereichten Tuch. Mit leiser, wohlklingender Stimme sprach Selim das Gebet – bismillah, im Namen Gottes – und forderte uns zum Zugreifen auf. Runde, flache Brotlaibe werden als Teller und Hilfsutensilien benutzt, man bricht ein Stück ab, preßt es zusammen und benutzt es dann quasi als Löffel, um die Speisen aufzunehmen. Um das geschickt zu tun, bedarf es einiger Übung, aber das ist im Umgang mit Messer und Gabel keineswegs anders! Messer waren nicht erforderlich; das Essen wurde in Form eines Ragouts gereicht, gedünstetes Fleisch mit Zwiebeln oder andere Speisen, die man leicht mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger zu sich nehmen konnte. Selbstverständlich kommt nur die rechte Hand zum Einsatz; bei gebratenem Geflügel ist es manchmal erforderlich, daß zwei Personen es zerlegen, natürlich jeweils mit der rechten Hand!
    Ich werde die einzelnen Speisen nicht näher erläutern; jedenfalls zählten

Weitere Kostenlose Bücher