Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
Leid«, sagte sie stattdessen.
»Haben Sie ihn kennen gelernt?«
»Sethos?« Für Augenblicke zögerte sie in dem Versuch zu ergründen, was eine wahrheitsgemäße Antwort zur Folge haben könnte, dann verwarf sie diese Überlegung. »Ja. Zweifellos hatte er einen Hang, sich … interessant zu machen.«
»Haben Sie es auch gespürt?«
Nefret lächelte. »Eigentlich nicht. Ich war bereits bis über beide Ohren in einen anderen verliebt.«
»Sie lieben ihn sehr, nicht wahr? Und er empfindet dasselbe für Sie. Sie sind beide sehr glücklich, Mrs …« Leise kichernd brach sie ab. »Es ist mir fast unmöglich, jemand anderen mit diesem Namen anzureden! Ich nehme nicht an, dass Sie mich Margaret nennen wollen? Sie können es mir glauben oder nicht, aber ich bin nicht hergekommen, um Sie zu irgendwelchen Indiskretionen zu bewegen. Ich möchte einfach, dass wir Freunde sind. Und«, fügte sie mit einem weiteren breiten, reuevollen Lächeln hinzu, »wenn einer von uns beiden im Nachteil ist, dann gewiss nicht Sie. Sie wissen zu vieles, was mich in Misskredit bringen könnte.«
Nefret wusste nicht, ob ihr Angebot einer Freundschaft ehrlich gemeint war, dennoch wäre sie töricht, diese zurückzuweisen.
»Danke«, sagte sie. »Margaret, ich gehe jetzt besser und suche meinen Mann. Er scheint mit Mr Kuentz verschwunden zu sein.«
In der Tat stand er allein hinter der Hoteltür. Sobald er sie bemerkte, trat er hinaus, damit es nicht so aussah, als habe er sich versteckt, und nahm ihren Arm.
»Ich dachte, mein Verschwinden würde dir einen Vorwand zum Aufbruch liefern«, erklärte er. »Worüber habt ihr so lange geredet?«
Nefret schilderte ihm ihr Gespräch.
»Ich habe nichts gegen diese Frau«, meinte Ramses nachdenklich. »Eigentlich habe ich sie sogar bewundert. Aber diese Fragen über illegale Kunstschätze und ihr Interesse an Kuentz’ Geschichte lassen mich an den wahren Motiven für ihr Kommen zweifeln – vor allem im Hinblick auf unsere neuerliche Begegnung.«
Entschieden schüttelte Nefret den Kopf. »Sie möchte so gern glauben, dass er noch lebt, aber sie kann nichts wissen. Es sei denn …«
»Es sei denn was?«
»Es sei denn, er hat es ihr zu erkennen gegeben.«
»Das Letzte, was er will, ist eine verliebte Frau – noch dazu eine Journalistin –, die sich an seine Fersen heftet«, führte Ramses aus.
»Dann ist es schlicht und einfach vergebliche Hoffnung«, meinte Nefret sanft.
»Warte einen Moment. Ich habe eine Idee und will sie nicht hier diskutieren.«
Die Pylone des Luxor-Tempels schimmerten im Licht der Nachmittagssonne. Ramses wandte sich ihnen zu. Er hatte die Reliefs in der Großen Säulenhalle nie vollständig kopiert. Es gab dermaßen viel zu tun, so viele unaufschiebbare Aufgaben, die tagtäglich auf sie einstürmten …
Nefret zupfte ihn am Ärmel. »Also? Verlier dich nicht wieder in archäologischen Spekulationen, nicht jetzt.«
»In Ordnung. Lass uns einmal annehmen, dass Minton nach ihrem anfänglichen Schock geistesgegenwärtig genug war, um zu erkennen, dass Mutter sie angelogen haben könnte.«
»Was ja auch stimmt.«
»Bis auf einen wesentlichen Punkt. Meine allwissende Mama hat nicht gelogen, sondern hat sich, wie wir vor kurzem erfahren haben, nur fürchterlich geirrt. Lass uns darüber hinaus annehmen, dass Miss Minton als Journalistin und als Mitglied einer ›höher stehenden‹ Gesellschaftsschicht Zugang hat zu gewissen Informationsquellen. Frag mich jetzt nicht zu welchen, denn ich habe nicht die leiseste Ahnung. Ich will lediglich zum Ausdruck bringen, dass sie von irgendjemandem irgendetwas erfahren haben könnte, was sie in ihrer vergeblichen Hoffnung bestärkt.«
»Jemand aus dem Kriegsministerium, meinst du? Das ist entsetzlich vage«, meinte Nefret skeptisch. »Also was schlägst du vor, sollen wir tun?«
»Die verfluchte Frau bei Laune halten. Das überlasse ich dir«, fügte er hastig hinzu. »Tausche Mädchengeheimnisse mit ihr aus und so weiter.«
»Warum hältst du sie nicht bei Laune? Du siehst ihm ein bisschen ähnlich und sie hat die zärtliche Umarmung in Gizeh eindeutig genossen.«
»Verflucht, Nefret, du weißt, es war nicht meine Idee. Oh. War das ein Scherz?«
»Ja.« Sie schlang ihren Arm durch den seinen und schmiegte sich an ihn.
»Ich werde meine Ehre nach Kräften verteidigen«, sagte Ramses. »Also halten wir sie gemeinsam bei Laune. Sethos in ganz Luxor zu suchen ist vertane Zeit und Energie. Wir müssen uns einen neuen Plan
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