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Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden

Titel: Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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jemanden gefangen halten konnte. Es stand etwas abseits von den anderen und war massiver gebaut. Verriegelte Holzblenden bedeckten das einzige kleine Fenster, und die Tür war ebenfalls verbarrikadiert – von außen. Als wir näher kamen, erhob sich der Hund und beobachtete uns aus unsteten gelben Augen. Ich wusste um die Hinterhältigkeit dieser halbwilden Bestien, von daher überraschte es mich nicht, als er warnend seine Zähne bleckte und knurrte. Emerson ignorierte das; in diesem Augenblick galt sein einziger Gedanke dem Kind; ich hingegen hob vorsichtshalber einen Stein auf und hielt ihn drohend hoch. Mein Herz klopfte mit einer Geschwindigkeit, dass es mir in der Brust schmerzte. Einmal abgesehen von dem leisen Knurren des Hundes, war der Ort totenstill. Er erinnerte an einen muslimischen Friedhof, staubig und verlassen und siedend heiß. War das Kind bewusstlos oder gefesselt und geknebelt oder in der Gewalt des Schurken, der sie fortgeschleppt hatte?
    Wir hatten die Tür fast erreicht, als ich eine Stimme hörte und verblüfft verharrte. Es war nicht Sennias unverwechselbar hohes, schrilles Stimmchen; es war auch nicht die dunkle Stimme eines Mannes. Der besänftigende, sich wiederholende Singsang stammte von einer Frau.
    »Meine Kleine, komm setz dich und ruh dich aus. Hier ist Wasser, Schätzchen; möchtest du trinken? Oder Honigkuchen, iss sie, sie sind gut.«
    »La, shukran«, erwiderte Sennia.
    Meine Knie gaben unter mir nach. Es war eine solche Erleichterung, sie zu hören, dieweil sie, relativ kühl und unbeschadet, höflich das Angebot ablehnte. Ich blickte zu Emerson. »Was in aller Welt …«, hauchte ich.
    Er legte seinen Zeigefinger auf seine Lippen. Ich wusste, warum er zögerte; er wollte sichergehen, dass sonst niemand im Raum war.
    Sennia fuhr mit gleichbleibend höflicher Stimme fort. »Ich möchte nach Hause gehen, Mutter. Bitte, öffne mir die Tür.«
    »Mein Herz, ich kann nicht. Er hat uns eingeschlossen. Du fürchtest dich doch nicht, oder? Hab keine Angst. Bei mir bist du in Sicherheit.«
    Sie hatte sich tapfer gehalten, aber jetzt fing sie an zu weinen, und als Emerson ihr Schluchzen vernahm, hob er den schweren hölzernen Riegel und riss die Tür auf.
    Durch die schmalen Luftschlitze hoch oben an der Decke fiel ein wenig Licht in den Raum; ich konnte diffuse Schatten ausmachen, bei denen es sich, wie ich später feststellte, um ein niedriges Bett oder ein Sofa und einige Töpfe und Körbe handelte. Im ersten Augenblick jedoch hatte ich nur Augen für Sennia. Ihr Gesicht war schmutzig und tränenverschmiert und ihre Kleidung zerknittert. Das war alles, was ich bemerkte, bevor sie sich auf Emerson stürzte. Er nahm sie in seine Arme und drückte sie fest an sich.
    »Alles in Ordnung, kleine Taube, wir sind hier. Haben sie dir wehgetan?«
    »Nicht sonderlich.« Sie wischte sich mit den Fingern über ihre feuchten Augen. »Haben sie Gargery verletzt? Und Horus? Der Mann hat ihn getreten, dieser Mistkerl!«
    »Beiden geht es gut.« Ich entschied, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt sei, um ins Detail zu gehen. »Emerson, lass uns verschwinden.«
    »Noch nicht«, entgegnete Emerson. Er stellte Sennia auf ihre Füße. »Ich habe ein paar Fragen an diese Frau.«
    »Mach ihr keine Angst«, kreischte Sennia. Sie eilte zu der Frau, die neben der Kohlepfanne kauerte, und schlang ihre Ärmchen um die zitternde Gestalt. »Sie war so nett. Sie hat nur getan, was er von ihr verlangt hat. Es war nicht ihre Schuld.«
    Sie trug das für die ärmsten Frauen von Oberägypten charakteristische Gewand, ein großes, dunkelbraunes Wolltuch, das wie die Stola der Griechen um den Körper geschlungen wurde. Es enthüllte ihre dünnen Arme und den welken Hals. Ihre faltigen Hände machten sich an den Stoffmassen zu schaffen, versuchten, diese über Kopf und Gesicht zu ziehen, aber sie war so verängstigt, dass ihr das nicht gelang. Meine Augen hatten sich an das schwache Licht gewöhnt; als sie den Kopf hob, gewahrte ich ihre vom grauen Star getrübte Iris. Sie war blind.
    »Wer seid ihr?«, krächzte sie. »Was wollt ihr von mir?«
    Mitleid verdrängte den Zorn, der Emersons Züge verfinstert hatte. Er redete Arabisch mit der Frau, mäßigte seine grollende Stimme so gut wie eben möglich. »Wir wollen dir nichts Böses, Mutter. Ich bin der Vater der Flüche und das hier ist meine Frau, die Sitt Hakim. Sag uns nur, wer das Kind herbrachte und was er mit ihr vorhat.«
    Es bedurfte einer längeren Zeitspanne

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