Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
Bruder noch größer.
»Das ist alles, was wir im Moment tun können«, seufzte Nefret. »Es ihm so bequem wie möglich machen. Sobald er den nächsten Fieberschub hat, wird er anfangen zu schwitzen und dann bis morgen früh durchschlafen.«
»Und dann?«, erkundigte sich Margaret.
»Dann wird er sich einigermaßen gut fühlen und wir werden ihn hier festhalten müssen, wenn nötig mit Gewalt, denn wenn es sich um die landläufige Form der Malaria handelt, wird die fieberfreie Zeit nur wenige Stunden andauern. Der nächste Rückfall wird morgen eintreten – nach dem gleichen Muster, mit Schüttelfrost und Fieber. Bei anderen Krankheitsformen beträgt das Intervall 48 oder 72 Stunden.«
»Ihr habt Chinin?«
»Ja. Dank Mutter verfügen wir über einen hervorragend bestückten Arzneimittelschrank, einschließlich Laudanum und Arsen.« Margarets Miene schien sie zu belustigen. Sie fuhr fort: »Manche Forscher glauben, dass prophylaktische Gaben von Arsen Malaria verhindern. Ich nicht. Er wird drei Tage lang jeweils dreimal pro Tag eine Dosis Chinin bekommen und über weitere fünf Tage eine halbe Dosis. Habe ich Sie überzeugt, dass ich weiß, wovon ich rede, Margaret, oder haben Sie noch weitere Fragen?«
»Es tut mir Leid. Ich wollte nicht …«
»Geschenkt.« Nefret musterte sie. »Ramses, bring sie in den Salon und gib ihr ein Glas Brandy.«
»Ich möchte hier bleiben.«
»Sie können mich später ablösen. Tun Sie, was ich sage.«
»Was ist mit Nasir?«, wollte Ramses wissen. »Ich habe ihn ins Bett geschickt. Ihr müsst euch um euch selber kümmern. Und jetzt verschwindet, beide.« Sie wrang ein Tuch aus und wischte den Schweiß weg, der mittlerweile über Sethos’ Gesicht rann. Margaret nahm die ihr von Ramses’ entgegengestreckte Hand und ließ sich von ihm hinausführen.
»Ihre Gattin ist eine bemerkenswerte Frau«, sagte sie.
»Ich hatte sie unterschätzt. Das passiert den Leuten öfter, nicht wahr? Sie ist so jung und hübsch.«
»Sie machen den Fehler selten ein zweites Mal.« Die Lampen im Salon brannten noch. Er schob Margaret auf den Diwan und holte die Brandyflasche heraus. Er hatte fest vorgehabt, ihr einige Fragen zu stellen, doch als er ihr ins Gesicht blickte, entschied er, dass er ihr eine kurze Erholungsphase gönnen sollte. Ihre Miene war von Anspannung gezeichnet, ihre Strümpfe ruiniert. Sie trug keine Jacke und die vormals weiße Bluse schimmerte schmutzig grau.
»Wurden Sie verletzt?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. Einige Schlucke Brandy und ihr Gesicht nahm wieder etwas Farbe an. »Ich vermute, Sie wollen wissen, was passiert ist.«
»Ja, natürlich. Lassen Sie sich Zeit.«
»Aber nicht zu viel Zeit, was?« Ihre Mundwinkel zuckten. »Ich werde weder lügen noch Ausflüchte gebrauchen. Sagen Sie mir nur eins, bevor ich beginne. Sie wussten, dass er noch lebt, nicht wahr? Sie waren weder erstaunt noch unsicher hinsichtlich seiner Identität.«
»Ja.« Augenblicke später setzte er hinzu: »Mutter weiß es nicht. Sie hat Ihnen wirklich nur das geschildert, was sie als die Wahrheit ansieht.«
»Ah.« Sie lehnte sich gegen die Kissen. »Es scheint, als habe ich ihr Unrecht getan. Ich hoffe, Sie halten mich nicht für unverschämt, wenn ich sage, dass ich Ihrer Mutter durchaus zutraue, im eigenen Interesse zu lügen.«
»Würden das nicht die meisten Menschen?«
»Ich mit Sicherheit.« Sie klang wieder wie früher. »Sie hatte mir seinen Namen genannt, oder besser, seinen Decknamen, also brachte ich mehrere Tage damit zu, alles nur Mögliche über ihn herauszufinden. Sie würden überrascht sein, welcher Quellen ich mich bedient habe. Und natürlich erinnerte ich mich jenes denkwürdigen Briefes, den er damals schrieb, und der sich daran anschließenden Ermittlungen; Kevin O’Connell ist bei mir in Ungnade gefallen, weil er die Story zuerst brachte.«
Sie nahm einen weiteren Schluck Brandy. »Und?«, warf Ramses ungehalten ein.
»Und ich begann mich zu fragen, ob Ihre Mutter mich angelogen hatte. Ihr Bestreben, mir die Reise nach Luxor auszureden, war ebenfalls verdächtig. Ich beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Schlimmstenfalls würde ich Material für eine interessante Titelgeschichte bekommen. Und so war es auch!«, fügte sie hinzu, beinahe so selbstgefällig wie eh und je. »Ich hatte so gut wie keine Schwierigkeiten, an Informationen zu gelangen. Die Leute lieben es, ihren Namen in einer Zeitung abgedruckt zu sehen. Die Polizei war nicht sehr
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