Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
Bewusstsein, dass sein nervenzermürbender Verwandter nach dem ihm injizierten Medikament tief und fest schlummerte, hatte Ramses den besten Nachtschlaf seit Tagen beschert. Dies und anderes sorgten dafür, dass er hervorragender Stimmung war, als sie zum Frühstück hochgingen. Bis zu diesem Augenblick.
»Das also ist dein berühmt-berüchtigter Plan?« »Er löst die entscheidenden Probleme, oder etwa nicht? Wir verstricken uns dermaßen in Lügen und Ausflüchte, dass wir irgendwann nicht mehr nachhalten können, was wir wem erzählt haben.« Entschlossen stützte sie ihre Ellbogen auf dem Tisch auf und beugte sich vor. »Wir haben uns im vorigen Jahr darauf geeinigt, dass wir mit diesen Spielchen aufhören wollen, weil sie in der Vergangenheit ständig zu Schwierigkeiten geführt haben. Aber nichts, rein gar nichts hat sich geändert! Die Eltern haben uns Dinge verheimlicht und wir ihnen. Ich bin dafür, dass wir ein für alle Mal reinen Tisch machen.«
Sie biss in ihren Toast und beobachtete, wie er das Für und Wider auf seine methodische Art überlegte. Wenigstens dachte er darüber nach, statt verärgert zu widersprechen. Ihr erschien ihre Argumentation logisch und verständlich, indes blieben noch einige Punkte, auf die ihr überaus logisch denkender Gatte verständnislos reagierte.
»Es ist Mutter, stimmt’s?«, bohrte sie.
»Was?« Seine Augenbrauen schossen nach oben.
»Sie ist diejenige, der du nicht über den Weg traust. Um Himmels willen, Ramses, deine Mutter hat mehr haarsträubende Abenteuer unbeschadet überstanden als jede andere Frau und sie hat jede Sekunde davon genossen! Es wird Zeit, dass du sie wie deinesgleichen behandelst!«
Für Augenblicke fürchtete sie, zu weit gegangen zu sein. Dann verzogen sich seine zusammengepressten Lippen zu einem Grinsen. »Ich stimme zu, wenn sie zustimmt.«
Nefret lachte. »Ich werde ein Wörtchen mit ihr reden. Im letzten Winter hast du ihr entsetzliche Angst eingejagt, Schätzchen. Bis dahin wusste sie gar nicht, wie viel du ihr bedeutest, und jetzt übt sie sich in Wiedergutmachung. Also bist du einverstanden?«
»Ja. Es ist erstaunlich«, setzte er freimütig hinzu. »Ich fühle mich wie einer dieser armen, überladenen Esel, wenn ihm die letzte Last vom Rücken genommen wird. Wie habe ich dich verdient?«
Die Rückkehr von Nasir mit einer Kanne frischem Kaffee hinderte Nefret daran zu antworten, in epischer Breite und mit den entsprechenden Gesten. Sie schob ihm den Toastständer zu.
»Wir müssen noch einige Detailfragen klären«, räumte sie ein.
»Mehr als einige. ›Allen alles‹ führt doch ein bisschen zu weit. Hast du vor, auch … äh … Emmeline alles zu beichten?«
»Sie wird ihre Beichte ablegen«, erwiderte Nefret grimmig. »Und wenn es mich den ganzen Morgen kostet. Allerdings bin ich dagegen, das Eintreffen der Familie zu erwähnen. Er – sie – würde eher versuchen, durch den Fluss zu schwimmen, als Mutter unter die Augen zu treten.«
»Wann beabsichtigst du, es Mutter und Vater zu enthüllen?«
Nach all seinem Widerstand hatte er sich schließlich in das Unvermeidliche gefügt. Nefret lächelte ihn zärtlich an. »Sobald wir mit ihnen allein sind. Dann können wir entscheiden, wie viel wir Cyrus offenbaren wollen und was wir mit Emmeline anstellen, und … Was ist denn los?«
»Ich stelle mir gerade ihre Reaktion vor – Vater wird sich unverzüglich auf die Amelia begeben, mit dem erstbesten Transportmittel, das er stibitzen oder leihen kann, und Mutter folgt ihm auf den Fersen. Wir könnten ihn an einen anderen Ort bringen, um ihnen Zeit zu geben, ihr Mütchen zu kühlen, ehe sie mit ihm zusammentreffen. Ich habe da eine Idee …«
»Ihn gehen lassen, bevor wir ihn zu einem Bekenntnis gezwungen haben?«
»Mit Sicherheit nicht.«
Auf einem Tablett richtete Nasir das Frühstück für »die arme, kranke Dame« an. Es war ihnen gelungen, Margaret unauffällig und unverdächtig fortzuschaffen, aber es wäre unmöglich gewesen, Nefrets ständige Besuche im Gästezimmer zu vertuschen. Also hatten sie eingeräumt, dass sie einen Patienten hatte. Und Nasir zeigte sich überaus mitfühlend.
Sethos stand am Fenster. Er hatte ein Laken in Form einer Toga um sich drapiert und mit seinem Dreitagebart und seinem feindseligen Blick erinnerte er Nefret an einen der brutaleren römischen Kaiser – Nero oder Caracalla.
»Leg dich wieder hin!«, befahl sie, als Ramses das Tablett auf den Tisch stellte.
»Solange ich lebe, will
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