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Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden

Titel: Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Sie würde weder jammern noch klagen, aber sie wäre krank vor Sorge, bis er zurückkehrte.
    Bislang war alles bestens verlaufen. Mit einer Selbstzufriedenheit, die er bald bereuen sollte, fragte er sich, warum er sich eigentlich aufgeregt hatte. Diese Situation war nicht komplizierter als das Chaos, das seine Eltern ständig verbreiteten.
    Es musste sich um ein unbekanntes Grab handeln, auf das es Sethos und sein Rivale abgesehen hatten. In Theben gab es eine Menge solcher Grabstätten. Allein im letzten halben Jahrhundert waren über 50 entdeckt worden, mehr als zwei Dutzend im Tal der Könige, drei – oder sogar mehr? – von der unermüdlichen Abd-erRassul-Familie. Der Großteil war unvollendet gewesen oder völlig geplündert und die seltenen Ausnahmen stellten die von Beamten und nicht die von Königen. Indes fehlte von einer ganzen Reihe von Pharaonen noch jede Spur: Haremhab, mehrere mit Namen Ramses, Tutenchamun … Verlockende Visionen tauchten vor seinem geistigen Auge auf.
    Rauchend und entspannt ins Leere schauend, saß Ashraf am Fuß der Gangway. Er sprang auf, als er Ramses gewahrte.
    »Nur Misur erwartet dich bereits, Bruder der Dämonen.«
    Die verlockenden Visionen wurden von grässlichen Vorahnungen verdrängt. »Was ist passiert, Ashraf?«
    »Nichts, nichts. Aber sie hat gesagt …«
    Ramses stürmte über die Gangway und überließ Ashraf seinen Selbstgesprächen. Nefret musste ihre Stimmen vernommen haben. Sie rannte auf ihn zu, mit schreckgeweiteten Augen, das Gesicht angespannt. Er schloss sie in die Arme.
    »Schätzchen, was ist denn los? Hat er …«
    Sie schob ihn von sich. »Er hat nichts gemacht. Der nächste Fieberschub ist eingetreten und ich muss zu ihm zurück. Aber, o Ramses – du wirst es nicht glauben –, es ist einfach entsetzlich …«
    »Was? Um Himmels willen, Nefret!«
    Sie hielt ein zusammengeknülltes Stück Papier in der Hand. Ein Telegramm. Er entriss es ihr.
    »Ankunft in Luxor, Mittwochvormittag, mit Sennia, Selim und den anderen. Logieren bei Cyrus, trefft keine Vorbereitungen.« Sie hatte sogar in eine zusätzliche Zeile investiert. »In Liebe, Mutter.«

    Ramses zog den Vorhang beiseite und blickte aus dem Fenster. Der Nachthimmel wurde von Sternen erhellt und das Mondlicht spiegelte sich auf dem dunklen, sanft gekräuselten Wasserspiegel. Er hatte Hemd und Hose abgestreift und entledigte sich soeben seiner Schuhe. »Es wird Zeit, dass ich aufbreche. Bist du sicher, du wirst allein mit ihm fertig?«
    Der Anflug eines Lächelns umspielte Nefrets Lippen. »Sieh ihn dir doch an.«
    Der erste Schub war vorüber, das Gesicht des Kranken war vom Fieber gerötet. Obschon er die Augen geöffnet hatte, schien er seine Umgebung nicht wahrzunehmen, und er hatte keinen Ton gesagt, sondern lediglich Unzusammenhängendes gemurmelt.
    Nefret löschte das Licht, ehe sie sich zu ihm ans Fenster gesellte. Ramses meinte, etwas sagen zu müssen, aber ihm fiel nichts ein. Mach dir keine Sorgen? Aber das würde sie. Ich liebe dich? Das klang, als ob er nicht damit rechnete, sie je wiederzusehen. Was blieb ihm letztlich noch zu sagen? Er küsste ihr trotzig gerecktes Kinn, ein energischer, rascher Kuss, und glitt aus dem Fenster. Dann griff er nach oben und nahm das von ihr gereichte Bündel in Empfang.
    »Lass dich nicht dazu hinreißen, dich zu erkennen zu geben«, wisperte sie und wandte sich vom Fenster ab.
    Am Ufer angelangt, wrang er seine tropfnasse Kleidung aus und zog sie wieder an. Der Stoff war unangenehm feucht, aber falls er später beschloss, sich seiner Tarnung zu entledigen, konnte er schließlich nicht nackt herumlaufen. Aufgrund des wasserdichten Beutels waren die Sachen trocken geblieben. Er staffierte sich aus – mit Gewand, Bart, Turban, Sandalen, Messer, Gürtel – und marschierte los.
    Obschon er seine Umgebung wachsam im Auge behielt, blieb ihm während des kilometerlangen Weges reichlich Zeit für das, was seine Mutter logisches Denken nannte. Leider Gottes hatte er nach wie vor keine Idee, wie sie die drohende Katastrophe abwenden könnten. Sobald er sich von dem Schock über das Telegramm erholt hatte, hatten er und Nefret am Nachmittag die Alternativen diskutiert.
    »Erkläre ihnen, dass sie nicht kommen dürfen«, lautete ihr erster Vorschlag.
    »Ich soll Mutter etwas verbieten?«
    »Du hast Recht, es würde sie lediglich bestärken in ihrem Entschluss. Was meinst du, wie es dazu gekommen ist?«
    »Warum spekulieren? Es könnte alles sein, der Wunsch nach

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