Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
verabschieden, dann steigen Sie in Hammadi wieder aus und nehmen den nächsten Zug zurück … Was ist daran so lustig, Nefret?«
»Sie«, platzte Nefret heraus. »Wir hätten Sie von Anfang an ins Vertrauen ziehen sollen. Sie sind fast so erfindungsreich wie Mutter.«
»Stimmt.« Ramses musterte Cyrus mit Bestürzung. »Es wird nicht funktionieren, Cyrus. Wir können nicht beweisen, dass Emmeline je hier im Schloss war, denn sie war nie hier. Wir können lediglich weiterlügen und sagen, dass sie fort ist – und je eher, desto besser. Ich werde es Nasir und Ashraf morgen mitteilen, und wenn sie sich fragen, wie zum Teufel – verzeihen Sie – wie wir ›sie‹ unbemerkt von Bord geschafft haben, dann können sie nach Herzenslust spekulieren.«
Cyrus war sichtlich enttäuscht. »Nun, wenn Sie meinen. Und nun, wie sollen wir vorgehen, um dieses vermaledeite Königsgrab zu finden?«
Ein Knall und ein Klicken ließen uns samt und sonders hochschrecken. Es klang, als hätte jemand eine leicht angelehnte Tür zugeschlagen; indes hatte ich sichergestellt, dass beide Türen zum Salon fest verschlossen waren, bevor ich zu reden anhub. Emerson stürmte zu einer der beiden Türen, und Ramses, dessen Gehör etwas schärfer ist, zu der anderen. Er riss die Tür weit auf; und dort stand – blinzelnd und schreckensbleich – William Amherst.
15. Kapitel
William stammelte eine Reihe unzusammenhängender Sätze: »Konnte nicht schlafen … Kam nach unten, um mir ein Buch aus der Bibliothek zu holen … Bin gegen die Tür gestolpert … Tut mir entsetzlich Leid …« Er hielt ein Buch umklammert und er trug Schlafanzug und Morgenmantel – oberflächliche Vorsichtsmaßnahmen, die kein vernunftgeprägter Verschwörer außer Acht lassen würde. Wir unterließen es nachzufragen, wie viel er von unserem Gespräch belauscht hatte, da er ohnehin nicht die Wahrheit gesagt hätte. Vielleicht war es reine Neugier gewesen, dass er die Tür einen Spalt geöffnet hatte – womöglich war ihm auch jemand zuvorgekommen.
Cyrus gestand nur ungern ein, dass sein früherer Schützling sich einer ungesetzlichen Handlung strafbar machen könnte. »Gewiss, er hat sich verändert. Früher war er ein geradliniger junger Kerl, der einem offen in die Augen sah. Er ist ein völlig anderer Mensch geworden.«
»Hmmmm«, murmelte ich.
»Nein!« Emersons Schrei ließ das Kristall erzittern. »Nein, Amelia. Wir haben bereits zwei Tarnexperten in dieser … äh … Gruppe. Ich weigere mich, an einen dritten auch nur zu denken!«
Wir verweilten nicht mehr lange. Ich überzeugte Cyrus davon, dass Sethos’ skrupelloser Rivale (vermutlich) der Einzige war, der wusste, wo sich das (vermeintliche) Grab befand, und dass unser oberstes Ziel demzufolge darin bestehen musste, ihn zu stellen – was auch den zusätzlichen Vorteil barg, weitere Gewalttaten zu verhindern. Darüber hinaus sah ich mich veranlasst, Cyrus ein wenig den Kopf zu waschen, zu seinem eigenen Besten.
»Es besteht absolut kein Grund zu der Annahme, dass das Grab das eines königlichen Würdenträgers ist, Cyrus. Ich weiß, dass es Ihr größter Ehrgeiz ist, eine solche Grabstätte zu finden, aber je höher ihre Erwartungen, umso größer wird auch Ihre Enttäuschung sein, wenn sich diese Erwartungen nicht erfüllen. Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf, mein Freund, aber nageln Sie Ihre Hoffnungen nicht …«
»Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen«, brummte Emerson. »Ich hoffe, du nimmst es dir zu Herzen.«
Wie gewöhnlich stand ich vor meinem Gatten auf, voller Tatendrang und Energie. Vor unserer Ankunft in Luxor hatte ich geglaubt, dass das Leben komplizierter geworden sei. Ich hatte keine Ahnung! Obgleich motiviert von den Aufgaben, die meiner harrten, gestand ich die Notwendigkeit ein, dass sie nach Priorität und Durchführbarkeit organisiert werden mussten. Deshalb schlüpfte ich aus dem Bett, ohne Emerson aufzuwecken, streifte einen Morgenmantel über und begab mich in den kleinen Salon, der sich an unseren Schlafraum anschloss.
Selbstverständlich hatte Cyrus uns seine besten Gästezimmer überlassen. Sie schienen mir noch eleganter und komfortabler als beim letzten Mal. Dieselben kostbaren Orientteppiche bedeckten die Böden und das Licht der Morgendämmerung strömte durch die filigran geschnitzten Fensterblenden ins Zimmer. Katherines geschmackvolle Hand wurde an den neuen Portieren erkennbar, der luxuriösen Ausstattung des angeschlossenen Badezimmers und dem hübschen
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