Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
Ramses’ Hand.
Er beugte sich vor, um sein Messer erneut an sich zu bringen. Es klemmte fest, zwischen zwei Rippen, und der Griff war glitschig vom Blut. Darauf packte er das Messer, das dem Toten entglitten war, sprang geschmeidig auf und trat um sich, um das auf Sethos’ Rücken gerichtete Messer abzuwehren. Sethos kniete am Boden, Gesicht und Hände waren blutüberströmt. Ramses parierte einen Hieb mit seinem Messer und schlug mit seiner flachen Hand auf einen Arm.
Die Explosion klang nach einer Ladung Dynamit und ließ alle vier vorübergehend erstarren. Beim Allmächtigen, überlegte Ramses, das muss diese uralte Martini von Yusuf gewesen sein. Hoffentlich hat sie ihm nicht die Hände zerfetzt. Er stand über seinen Onkel gebeugt, gleichzeitig bemüht, die beiden anderen Männer im Auge zu behalten. Sie hatten ihren augenblicklichen Schock überwunden und näherten sich ihm erneut, aus unterschiedlichen Richtungen. In Ramses’ Ohren brauste es noch immer, gleichwohl glaubte er zu hören …
Das Hintertor gab mit einem gewaltigen Krachen nach – vergleichbar der Lautstärke einer Gewehrsalve. Die Hände in die Hüften gestemmt, das schwarze Haar windzerzaust, hatte Emerson mit einem Blick das Geschehen erfasst. Er verzog die Lippen, bleckte die Zähne.
Es war in weniger als zehn Sekunden vorbei. Einer der beiden Männer krümmte sich am Boden, sein Hals seltsam verbogen. Emerson hatte ihm ins Genick geschlagen. Der andere wand sich in Ramses’ Umklammerung, einen Arm schmerzhaft auf den Rücken gedreht.
»Danke, Vater«, sagte Ramses. »Wieder einmal.«
»Ich habe dir nur ein wenig zeitlichen Aufwand erspart«, erwiderte Emerson in einem Ton, den sein Sohn nur als ausgesprochen optimistische Einschätzung der Situation werten konnte. Er atmete nicht einmal schwer. »Äh … alles in Ordnung mit dir?«
Es war seine übliche Frage, aber Ramses wusste, dass sie nicht an ihn gerichtet war. Sethos, der sich inzwischen aufgesetzt hatte, hob den Kopf. »Nur ein paar Schrammen. Nichts Ernstes. Schürfwunden.«
»Du bist nicht besonders gut im Umgang mit dem Messer«, meinte Ramses. Er wollte keinen Dank und war sich fast sicher, dass er keinen bekommen würde.
Das blutige Gesicht seines Onkels verzog sich zu einem Grinsen. »Ich habe es immer vorgezogen, das Kämpfen anderen zu überlassen.«
»Abgesehen von gewissen Gelegenheiten«, wandte Emerson ein. »Ich habe noch heute eine Narbe … Nun gut. Sollen wir diesen Burschen fesseln oder auf der Stelle umbringen?«
»Vielleicht sollten wir ihm noch ein paar Fragen stellen, bevor wir ihn töten«, bemerkte Ramses trocken.
»Es war nur einer meiner kleinen Scherze.« Emerson grinste.
Er hob den Gefangenen mit einer Hand hoch und stellte sich auf Zehenspitzen. »Wo ist dein Meister?«
Seine Fragen wurden rasch beantwortet, aber nicht so aufschlussreich wie von ihnen erhofft. »Der Meister« hatte an besagtem Morgen andere wichtige Dinge zu erledigen; nein, er hätte nicht dargelegt, um was es sich handelte, er hatte das Trio losgeschickt, um ihm Sethos vom Hals zu schaffen, und wollte sie später treffen, um sie zu entlohnen, bevor er Luxor verließ. Jetzt, gestand der Gefangene mit erfrischender Aufrichtigkeit, würde er diese Verabredung allerdings nicht mehr einhalten wollen. Der Meister akzeptiere weder Ausflüchte noch dulde er Fehlschläge.
»Vielleicht sagt er die Wahrheit«, sinnierte Emerson. »Diese Burschen sind Mörder und Kriminelle. Kuentz würde ihnen nicht mehr enthüllen, als sie unbedingt wissen müssen. Verflucht! Vermutlich räumt er in diesem Moment das Grab aus! Wir werden diesen Halunken fesseln und in den Schuppen werfen. Kadija!«
Kadija hatte das Gewehr abgefeuert. Der Rückschlag hätte jedem normalen Menschen die Schulter gebrochen; Kadija räumte ein, dass ihre ein wenig schmerze. Die anderen trafen bald darauf ein, und während seine Mutter mit der ihr eigenen, energischen Art nach dem Rechten sah, fragte Ramses: »Ist Nefret nicht mit dir gekommen?«
Seine Mutter malträtierte Sethos mit Verbandsmull. Er hatte Glück gehabt oder ausgesprochen behände reagiert; keine seiner Schnittwunden war tief. »Sie fühlte sich verpflichtet, bei Jumana zu bleiben. Die arme Kleine wurde ohnmächtig und Nefret befürchtet eine Gehirnerschütterung. Aber reite ruhig hin, mein Schatz; sie wird besorgt sein um dich. Wir können uns um Mr Kuentz und das Grab kümmern.«
Ramses war klar, dass sie sich Sorgen machte, und er wollte sie so
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