Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
selber davon anzufangen, in der Hoffnung, dass ich Gargerys Aufmerksamkeit von seinen Butlerpflichten ablenken könnte. Er hatte, was durchaus verständlich war, angenommen, dass er in unserem ägyptischen Haushalt dieselben Aufgaben übernehmen würde. Das Problem war, dass Fatima es als ihre Aufgabe ansah, uns die Mahlzeiten zu servieren. Sie beteiligte sich nur selten an der Unterhaltung, wusste aber gern, was vor sich ging.
Genau wie Gargery. Wäre es nicht so störend gewesen, hätten wir unseren Spaß daran gehabt, die Manöver der beiden zu beobachten. Keiner wollte dem anderen nachgeben, also wurden die Teller auf den Tisch geknallt und in einem solchen Tempo wieder abgeräumt, dass ich seit unserer Ankunft keine komplette Mahlzeit mehr genossen hatte. Ich hatte mir fest vorgenommen, ein paar Takte mit den beiden zu reden, aber bislang noch nicht die Zeit gefunden.
Als Gargery nach meiner Suppentasse griff, versetzte ich schließlich: »Ich habe noch nicht aufgegessen, Gargery. Emerson, was hast du dazu zu sagen?«
»Miss Mintons Ausführungen«, erwiderte Emerson, während er Gargery mit seinem Ellbogen verscheuchte, »sind von rein akademischem Interesse. Ich sehe keinen Anlass, darüber zu diskutieren.«
»Glaubst du ihr?«, erkundigte sich Nefret.
»Ja«, antwortete Ramses. Er spähte zu Fatima, die hartnäckig Gargerys Bemühungen vereitelte, an seine Suppentasse zu gelangen. Sie beharrte darauf, dass er jeden Bissen von jedem Gang aufaß, weil sie fand, er wäre zu dünn. Hastig führte er den letzten Löffel zum Mund und sagte dann: »Zweifellos war es Sethos. Der Bezug zu einem seiner Stellvertreter, der zwar unverständlich ist, aber von Miss Minton wahrheitsgemäß aufgeführt wird, lässt keinen Zweifel offen. Jetzt begreife ich, warum sie so entschlossen war, uns zu treffen und mit dir zu reden, Mutter. Sie war offensichtlich fasziniert von ihm. Was hast du ihr erzählt?«
»Das erforderte erhebliches Fingerspitzengefühl«, entgegnete ich. »Die Ähnlichkeit zwischen mir und Miss Minton und die Hinweise auf einige meiner Charakteristika machten es mir unmöglich zu leugnen, dass ich die fragliche Frau bin. Ich fühlte mich verpflichtet, ihre Annahme zu widerlegen, dass er aus einem anderen Grund dort war als dem, den er zugegeben hatte.«
Gargerys Brauen schossen nach oben. »Verzeihung, Madam, aber ich kann Ihnen nicht recht folgen.«
»Das erwartet auch niemand von Ihnen, Gargery«, gab ich zurück.
Darauf fühlte Gargery sich gekränkt, und er revanchierte sich, indem er meine Fischplatte abräumte, bevor ich mehr als zwei Bissen gegessen hatte.
»Was hast du ihr sonst noch erzählt?«, fragte Nefret.
»Ich habe ihr einen kurzen Abriss seiner Diebeskarriere gegeben und sie informiert, dass er inzwischen tot ist. Ich hoffe, das wird ihren romantischen Anwandlungen ein Ende setzen, sicher bin ich mir indes nicht. Eine Frau in einem gewissen Alter … Ich frage mich, warum sie nie geheiratet hat.«
»Gargery«, warf Emerson ein. »Wenn Sie versuchen sollten, mir wieder den Teller wegzunehmen, bevor ich diesen geleert habe, werde ich Ihre Hand mit meiner Fischgabel auf dem Tisch aufspießen.«
»Ja, Sir«, murmelte Gargery. Er verschränkte die Arme und blickte Emerson prüfend an. »Ich denke, Sir, Sie sollten uns darlegen, worum es hier geht. Wenn diese Person, dieser Meisterverbrecher, zu neuem Leben erwacht ist und es auf Sie und Madam abgesehen hat, müssen wir etwas zu Ihrem Schutz unternehmen. Was hat er mit Miss Minton zu schaffen? Ich erinnere mich an sie; sie hat uns eine ganze Reihe von Problemen eingebrockt, als es um den Fall im Britischen Museum ging.«
Emersons Gesicht war ziemlich rot angelaufen.
»Du kannst es ihnen ebenso gut erzählen«, warf ich ein. »Wenn nicht, geht Gargerys Fantasie mit ihm durch und er wird etwas Törichtes tun.«
Emerson blickte von Gargery zu Fatima. Beide nickten heftig. Trotz ihrer Rivalität hinsichtlich des Servierens bei Tisch waren sie Verbündete in allen Angelegenheiten, die unsere Sicherheit und unser Wohlergehen betrafen, und wenn Fatima eine Situation für ernst hielt, dann würde sie Selim und Daoud und Kadija in Kenntnis setzen und dann hätten wir die gesamte Bande auf dem Hals. Die Logik meiner Argumentation erfassend, hub Emerson an: »Augenscheinlich ist Miss Minton mit Sethos zusammengetroffen, als sie im vorletzten Sommer in Arabien war. Sie wusste nicht, was im letzten Winter passiert ist.«
»Aha«, murmelte Gargery.
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