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Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden

Titel: Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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seine Fersen in die Flanken des Rappen und spornte ihn zum Trab an, dicht über dessen Nacken gebeugt lenkte er das Tier mit seinen Händen und seiner Stimme. Nefret fluchte leise. Er war einfach zu flink für sie. Schakale heulten und jagten bei Nacht. Das Geräusch musste ein Signal gewesen sein – und gewiss kein Willkommensruf.
    Auch Jumana und Jamil waren die Gewohnheiten der Schakale vertraut. Beide sahen Nefret erwartungsvoll an. Jamil interessierte sich nicht für die Archäologie, aber ein kleiner Kampf wäre vermutlich ganz in seinem Sinne. Unvermittelt befiel Nefret ein Anflug von Mitgefühl für ihre Schwiegermutter. Hatte sie sich damit all die Jahre herumschlagen müssen – mit jungen Leuten, die nicht genug Vernunft besaßen, um Furcht zu empfinden?
    Jemand musste bei ihnen bleiben. Und natürlich bin ich das, sinnierte Nefret. Sie akzeptierte die Logik hinter Ramses’ Entscheidung; er war nicht nur der bessere Reiter, er war auch weitaus kräftiger gebaut und stark genug, um mit einem Missetäter fertig zu werden, sofern er einen aufspürte. Wenn es nur einer war … Ramses war bereits außer Sichtweite, hinter einem Felsvorsprung, als sie ihre Entscheidung traf.
    »Bleibt dicht hinter mir!«, befahl sie und ritt voraus.
    Schon nach kurzer Zeit öffnete sich der Wadi zu einer breiteren Schlucht, eingefriedet von Klippen vergleichbar einem zerstörten, gigantischen Festungswall. Die Sonne stand hoch genug, um die Felswände in ein faszinierendes Spiel von Licht und Schatten zu tauchen, wo tiefe Spalten und gähnende Krater die Oberfläche durchbrachen. Nirgends ein Lebenszeichen und auch kein Anhaltspunkt auf ihren Mann. Nefret ritt weiter. Sie hatte Angst, die Stute schneller als im Schritttempo gehen zu lassen, denn der Boden war unwegsam und die unebenen Konturen der Felsformationen boten Widersachern zahllose Verstecke.
    Das Grab, das sie schließlich erspähten, befand sich auf der Hälfte zwischen Eingang und Ende des Tales. Sie hatten es fast erreicht, als sie Ramses’ Pferd gewahrte. Der Sattel war leer.
    Sie vernahm das Knirschen von losem Geröll und dann tauchte er auf, auf halber Höhe der Klippe nahe dem Grabeingang, und sie erkannte, dass die dunkle Schattenlinie hinter ihm eine Spalte oder ein Kamin sein musste. Er war ein geübter Kletterer, aber sie mochte ihn nicht dabei beobachten; selbst ein Fachmann konnte sich irren, und die felsige Oberfläche unter ihm fiel praktisch senkrecht ab. Gestein bröckelte unter seinen Füßen ab, während er sich von einem Felsvorsprung zum nächsten hangelte. Sie saß ab und reichte Jamil die Zügel. »Bleibt hier«, wiederholte sie.
    Als sie schließlich zu ihm stieß, war er am Boden angelangt. »Verdammt!«, schnaubte er. »Ich war zu langsam.
    Er ist mir entwischt. Genau wie die anderen, vermutlich.
    Ich konnte nur einen von ihnen verfolgen.«
    Mit zusammengekniffenen Augen sondierte er die Umgebung. Es war niemand in Sicht, kein Geräusch, keine Bewegung. Eine Verfolgungsjagd schien aussichtslos; für diejenigen, die sich auskannten, boten die Klippen Hunderte von Verstecken und vermutlich Dutzende von Fluchtwegen aus dem Tal.
    Seine Hände waren abgeschürft und bluteten. Er hatte seinen Helm verloren oder abgenommen; der Schweiß tropfte von seinem Haar über sein Gesicht. »Komm und trink etwas«, schlug Nefret vor, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihm die feuchten Locken aus der Stirn zu streichen oder ihn heftig zu schütteln. »Warum zum Teufel konntest du nicht auf mich warten, statt einfach zu verschwinden? Jemandem zu folgen, wenn er über dir klettert, schreit förmlich nach einem Tritt auf den Schädel!«
    »So nah bin ich nie an diesen Mistkerl herangekommen«, sagte Ramses verdrießlich. »Ich gehe davon aus, dass ihr keinen von ihnen gesehen habt.«
    »Korrekt.«
    Genau wie ihre Schwiegermutter hatte sie sich angewöhnt, eine Erste-Hilfe-Ausstattung und einige weitere nützliche »Utensilien« bei sich zu tragen. Während er erzählte, duldete er, dass sie seine Hände säuberte und Alkohol auf die Schnittwunden träufelte.
    »Als sie das Signal hörten, haben sie fluchtartig das Grab verlassen und sich, noch bevor ich eintraf, in alle Winde zerstreut. Es war ein recht gekonnter Rückzug, beinahe als hätten sie ihn vorher geübt. Ich hätte nie damit gerechnet, dass sie die verfluchte Dreistigkeit besitzen, bei hellem Tageslicht zu agieren.«
    »Warum nicht?«, meinte Nefret. »Hierher verirrt sich doch nie jemand.

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