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Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden

Titel: Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Vater,
    es ist zwei Uhr in der Frühe. Ramses schläft – tief und fest, hoffe ich – und ich stehe über den Tisch im Salon gebeugt, schreibe, so gut ich das bei Kerzenlicht vermag, und spähe bei jedem Geräusch schuldbewusst über meine Schulter. Ich bin froh über eure Warnung, dass ihr die Leiche dieses bedauernswerten Mannes gefunden habt, aber bitte schreibt mir nichts mehr, was er nicht erfahren soll; er fragt ständig nach eurem Brief, und ich habe gelogen, dass sich die Balken bogen, nur um ihn davon abzubringen. Ich fühle mich hundeelend, wenn ich ihn anlügen muss, und dann verhalte ich mich wie ein Scheusal, weil ich Gewissensbisse habe, und er ist so nett und verständnisvoll, und dann fühle ich mich noch mieser! Ich werde diese Notiz zu dem anderen Brief in den Umschlag stecken und auf die Post geben.
    In tiefer Liebe
    Nefret

    Am nächsten Morgen erschien Jamil hohlwangig und halb verschlafen. Er kauerte auf seinem Pferd wie ein Lumpensack. Jumana begrüßte sie mit der für sie typischen, schrillen Stimme. »Guten Morgen! Wie geht’s euch? Ein herrlicher Morgen! Hattet ihr eine schöne Nacht?«
    »Ja, danke«, erwiderte Nefret, dem viel sagenden Blick ihres Mannes ausweichend.
    »Das ist gut. Ich habe alle Notizen durchgelesen, die ich gestern gemacht hatte, und ich habe meinen Bleistift gespitzt. Jamil wollte mir nicht verraten, wohin wir heute gehen, aber ich habe meinen Vater gefragt und der hat gesagt …«
    »Habe ich dir nicht erklärt, dass du still sein musst, solange du keine Fragen stellst?«, fiel Nefret ihr ins Wort.
    »Stimmt«, murmelte Jumana. »Ich bin genauso dumm wie Jamil. Ich werde die richtige Frage stellen. Also, was sucht ihr im Tal der Affen?«
    »Was weißt du über diesen Ort?«, erkundigte sich Ramses.
    »Ich dachte, ich müsste die Fragen stellen. Oh – ist das ein Test?« Sie machte ein langes Gesicht, worauf ihr Tropenhelm auf ihren Nasenrücken rutschte. Sie schob ihn zurück. »Ich bin noch nie dort gewesen. Ich war viele Male in den anderen Tälern; als kleines Mädchen habe ich als Korbträgerin für Effendi Vandergelt gearbeitet. An der Schule von Mrs Vandergelt haben die Lehrer uns mit zu den Grabstätten genommen. Ich habe Sethos und Thutmosis und Amenophis …«
    Nach einem ungehaltenen Blick von Nefret schnitt Ramses ihr das Wort ab. »Heute besuchen wir das Grabmal eines weiteren Amenophis. Seines gehört zu den wenigen im Westtal, das ihr das Tal der Affen nennt. Mr Carter hat dort im vergangenen Frühjahr vorübergehend gearbeitet. Wir wollen nachschauen, ob jemand ohne eine Genehmigung dort gegraben hat.« Er hätte es dabei belassen, aber die aufmerksamen Blicke zweier Augenpaare, eins blau, eins schwarz, verlangten weitere Aufschlüsse. Widerwillig fuhr er fort, auf einfache Worte sinnend, die sie verstand. »Amenophis der Dritte war der Erbauer des Luxor-Tempels und der beiden Kolossalfiguren an der Straße nach Deir el-Medine. Er regierte in der Glanzzeit Ägyptens – auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Wohlstands. Seine Hauptkönigin, Teje, war eine Bürgerliche – das heißt, sie war nicht adliger Herkunft –, aber sie besaß großen Einfluss. Die Könige anderer Länder schrieben ihr, baten um Geschenke und um ihre Gunstbezeugungen. Ihr Sohn war Echnaton, der die Verehrung der alten Gottheiten aufgab zu Gunsten eines einzigen Gottes …« Jumana nickte bekräftigend. »Oh. Du hast in der Schule von ihm erfahren? Gut.«
    Sie waren der Straße gefolgt, die von der Anlegestelle der öffentlichen Fähre entlang des Tempels von Sethos I. und der Schluchten von Dra Abul Nagga in den Wadi führte, der den Zugang zu den beiden Tälern bildete. Mehrere hundert Meter vor dem Eingang zum Osttal führte ein Pfad nach rechts. Sie waren die Einzigen, die in diesen einbogen. Nur wenige Leute nahmen diesen Weg, denn er war uneben und voller Geröll und schlängelte sich durch die zerklüfteten Klippen und Felsvorsprünge. Einer nach dem anderen lenkten sie die Pferde im Schritttempo durch die Schlucht. Niemand sprach, nicht einmal Jumana. Es war so still, als wären sie die einzigen Lebewesen weit und breit.
    Unvermittelt durchtrennte ein hohles, heiseres Heulen die Stille. Nefrets Hände umklammerten die Zügel. Die anderen verharrten ebenfalls. Sie lachte selbstbewusst. »Ein Schakal.«
    »Um diese Tageszeit?« Ramses hob den Kopf, doch der Laut wiederholte sich nicht. Er wandte sich im Sattel um und wies sie an: »Bleib bei ihnen.«
    Dann grub er

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