Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
lassen«, sagte Ramses streng. Es machte ihn nervös, wie sie ihn ansah.
»Ich habe die Stelle markiert«, protestierte Jumana. »Wie du es mir gezeigt hast. Ich habe die Abmessungen genommen. Ich weiß genau, wo sie laut Plan liegen müsste. Aber da ist keine Kapelle, Ramses, die Stele muss von ihrem ursprünglichen Standort entfernt worden und über den Hügel gerollt sein. Sieh doch – ist sie nicht hübsch?«
Besänftigt und seinen harten Ton bereuend, nahm er die Steinstatue. Das abgerundete Ende und die geraden Seiten, die Hieroglyphenreihen, die die gehuldigten Gottheiten anriefen, waren nichts Besonderes, die Gottheiten dagegen etwas ungewöhnlich – zwei wohlgenährte Katzen, die einander über einen Opfergabentisch hinweg fixierten.
»Ich habe andere Stelen von Deir el-Medina gesehen, auf denen Katzen abgebildet sind«, sagte er. »Sie wurden mit verschiedenen Göttinnen identifiziert, darunter auch Amuns Gemahlin Mut.«
»Nicht mit der Großen Katze des Re?«, erkundigte sich Jumana.
»Diese nicht.« Es waren recht anziehende Tiere, kräftiger und weniger geschmeidig als die schlanke ägyptische Katze. » So lobpreiset die gute und friedvolle Katze. Nun, vielleicht sind sie das. Sie sind nicht benannt. Aber die Große Katze des Re war nicht friedfertig, nicht wahr?«
»Sie sind ganz reizend.« Nefret nickte zu Jumana. Keine Reaktion; Jumana beobachtete Ramses, wartete mit angehaltenem Atem auf ein Lob von ihm.
»Das sind sie«, bekräftigte er. »Kommt, wir bringen sie zu Bertie. Sie zu zeichnen, ist eine gute Übung für ihn.«
»Ich würde sie gern der kleinen Taube schenken«, sagte Jumana, als sie zu dem schattigen Unterstand strebten.
»Ihre Katze wird kräftig werden, genau wie diese beiden, und wir könnten ihr erzählen, dass eine davon die Große Katze des Re ist.«
»Wir werden warten müssen, bis die Antikenverwaltung entscheidet, welche Stücke wir behalten dürfen«, erklärte Ramses.
Da er meinte, sie ein wenig hart angegangen zu haben, setzte er hinzu: »Lieb von dir, dass du daran gedacht hast, Jumana.«
Sie begrüßten Bertie und händigten ihm die Stele aus, und Ramses sagte: »Ein wirklich reizendes Stück. Warum versuchst du nicht einfach, sie zu zeichnen? Vorausgesetzt natürlich, du hast gerade nichts anderes zu tun.«
»Ich mach’s«, erbot sich Jumana. »Ich kann …«
»Ja, ich weiß, dass du es kannst, aber ich brauche dich woanders.«
Selim hatte die Männer zur Arbeit eingeteilt. Nachdem er Ramses begrüßt hatte, wollte er wissen, was dieser von der seltsamen Empore in dem Haus hielt, das sie gerade freilegten, und darüber vergaß Ramses die Zeit. Erst als Cyrus sich zu ihnen gesellte und ihnen eine Mittagspause vorschlug, erkannte Ramses, wie spät es war.
»Wo sind denn Ihre Ma und Ihr Pa?«, erkundigte sich Cyrus grinsend.
»Sind sie noch nicht eingetroffen?« Natürlich waren sie das nicht, denn sein Vater tat seine Anwesenheit immer recht geräuschvoll kund. »Sie wollten Yusuf aufsuchen; er hat ihnen eine Nachricht geschickt. Aber sie sollten längst hier sein.«
Nefrets besorgte Miene spiegelte seine eigene Skepsis.
»Sollten wir letztlich doch Recht behalten haben – bezüglich Yusuf und Jamil? Ich habe es einfach nicht wahrhaben wollen, weißt du.«
»Ich auch nicht«, gestand Ramses. Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare.
»Wo ist dein Hut?«, drängte Nefret.
»Ich weiß nicht. Kümmere dich nicht um den verfluchten Hut. Verdammt, es geht nicht, dass sie einfach wegbleiben, ohne uns zu informieren. Was sollen wir jetzt tun?«
»Zu Mittag essen«, sagte Nefret nüchtern. »Und noch eine Weile warten.«
Cyrus wollte nähere Einzelheiten erfahren, und während der Mittagsrast berichtete Ramses allen von der Mitteilung. Cyrus blieb gelassen. »Sie können auf sich selber aufpassen.« Selim blickte finster. »Wenn Yusuf etwas wusste und es mir verschwiegen hat –«
»Das ist reine Theorie, Selim. Wir können uns nicht sicher sein, was Yusuf wirklich wollte. Vielleicht ging es um Mutters viel gefragte medizinische Kenntnisse.«
»In dieser Hinsicht würde er eher ihr als mir vertrauen«, räumte Nefret ein. »Die älteren Männer und Frauen glauben nicht an mein neumodisches Wissen. Trotzdem müssten sie längst zurück sein, selbst wenn Yusuf Vater um einen Exorzismus gebeten hätte.«
Nach dem Essen war Ramses zu einer Entscheidung gelangt. »Wir versuchen besser, sie zu finden. Mit dem Schlimmsten rechnen, wie Mutter sagen
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