Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
einzunehmen.
»Dann ist er also wieder in Luxor«, schloss Emerson. »Wir werden hingehen. Ich habe eine ganze Menge Fragen an ihn.«
Wir alle konnten ein bisschen Zerstreuung vertragen, und ich muss gestehen, dass sich meine Laune hob, als ich meine dunkelrote Lieblingsabendrobe anzog und die Diamantohrringe befestigte. Das Vergnügen, sich hübsch zu kleiden, mag eine weibliche Schwäche sein, aber wenn Sie mich fragen, täte es den Männern auch ganz gut, wenn sie dieser frönen würden.
Keine dunkle Vorahnung trübte meine Stimmung, als das Boot uns sicher über das schimmernde Wasser trug. Es wäre besser so gewesen! Die erste Person, die wir beim Betreten der eleganten Hotelhalle erspähten, war der Mann, den wir als »Smith« kennen gelernt hatten – der ehrenwerte Bracegirdle-Boisdragon, der mehrfach versucht hatte, Ramses wieder für den Geheimdienst anzuwerben.
Es wäre im höchsten Maße unhöflich gewesen, ihn zu schneiden. Diese Erwägung hätte Emerson vermutlich nicht davon abgehalten, doch ebendieser »Smith« befand sich in Begleitung einer attraktiven Dame mittleren Alters, in eleganter Trauerkleidung. Smith stellte sie uns als seine Schwester, Mrs Bayes, vor, die Ägypten zum ersten Mal besuchte, und sie brach sogleich in Begeisterungsstürme aus, über das Land, die Artefakte und die große Ehre, unsere Bekanntschaft zu machen. Sie habe schon so viel über uns gehört.
»Tatsächlich?«, meinte ich gedehnt, Smith mit einem scharfen Blick strafend.
»Sie liest die Geschichte von Professor Emerson und ist schon beim dritten Band angelangt«, sagte Smith höflich.
»Algies Begeisterung für Ägypten hat mich zu dieser Reise angeregt«, erklärte Mrs Bayes, ihren Bruder mit widerlich verklärtem Blick anhimmelnd. Sie übertreibt, dachte ich bei mir; dieser kalte Fisch von einem Mann verdient keine solche Bewunderung.
»Mutig von Ihnen, die Seepassage in diesen stürmischen Zeiten zu riskieren«, sagte ich.
Das Gesicht der Dame nahm einen Ausdruck sanfter Melancholie an. »Wenn man das Liebste auf der Welt verloren hat, ergibt man sich klaglos in sein weiteres Schicksal.«
Emerson machte lautstark »Hmpf«, hüstelte und sah zu mir. Er verabscheut meine »bombastischen Aphorismen«, wie er sie nennt, und dies hier passte vermutlich in dieselbe Kategorie. Ich hätte es allerdings anders gewertet.
»Mein Beileid«, sagte ich. »Ein kürzlicher Verlust?«
»Ja, vor recht kurzer Zeit. Aber«, Mrs Bayes lächelte zu ihrem »Bruder«, der mit bekümmerter Miene ihre Hand tätschelte, »ich habe Algie versprochen, dem nicht nachzuhängen. Ich bin fest entschlossen, diese neuen Erfahrungen in vollen Zügen zu genießen, und es ist herrlich. Algie ist ein begnadeter Fremdenführer. Er kennt sich mit den Kunstschätzen sooo gut aus!«
»Meine Schwester übertreibt.« Smith hüstelte bescheiden. »Ich darf allerdings behaupten, dass ich ausgesprochen wissbegierig bin. Mein Interesse wurde bei meinem ersten Besuch in Luxor geweckt – vielleicht erinnern Sie sich noch an unsere damalige Begegnung …«
Sein Blick glitt zu Ramses und Nefret.
»Sogar sehr gut«, sagte Ramses. Nefret, ihre Lippen zu einer dünnen Linie zusammengepresst, sagte nichts.
»Wir wollen Sie nicht weiter stören«, wandte ich ein. »Es war uns ein Vergnügen, Sie kennen zu lernen, Mrs Bayes. Genießen Sie Ihren weiteren Aufenthalt.«
»Dinieren Sie denn nicht hier?«, fragte die Dame beiläufig.
»Nein«, sagte ich und fasste Emersons Arm. »Gute Nacht.«
Ich führte unsere kleine Schar aus dem Hotel.
»Was ist mit Carter?«, erkundigte sich Ramses.
»Würde mich wundern, wenn Howard hier wäre. Smith hat die Nachricht getürkt.«
»Ich frage mich, was er von uns will«, sinnierte Nefret. Sie hielt Ramses’ Arm fest umklammert. »Wenn er denkt, er kann –«
»Nicht jetzt, Nefret«, mahnte ich.
»Wo gehen wir hin?«, drängte Emerson. »Ich will mein Abendessen.«
»Das Luxor ist nicht weit. Wir müssen uns kurz austauschen, bevor er uns erneut austrickst.«
Emerson winkte die Droschkenfahrer weiter, die uns als Kunden witterten. Es ist nur ein kurzer Spaziergang vom Winter Palace zum Luxor, und es war ein schöner Abend, der dunkle Himmel sternenübersät, die Luft frisch. Der Duft des nachtblühenden Jasmins versuchte (vergeblich) die anderen Gerüche von Luxor zu übertünchen, aber selbst diese hatten einen gewissen Charme – die Kochfeuer und der Kameldung; ungewaschene Esel, Kamele und Menschen.
Man
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