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Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin

Titel: Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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blieb Yusuf stehen. »Lasst mich vorausgehen. Lasst mich mit ihm reden. Ich werde ihm erklären, dass er sich stellen muss.«
    »Dann geh«, sagte Emerson.
    Er wartete, bis der Alte außer Hörweite war, dann knurrte er: »Ich bin keineswegs überzeugt von Yusufs Überredungskünsten. Peabody, gib mir deine Pistole – ich weiß, dass du sie mitgenommen hast, also her damit.«
    Ich ließ mich nicht zweimal bitten. Jahrelang hatte ich mit der verfluchten Waffe geübt, ohne jedoch an Emersons Geschick heranzureichen.
    »Nein«, flüsterte Jumana. »Bitte, ihr habt gesagt, dass ihr ihn nicht töten werdet.«
    »Könnte nicht mal ein Kaninchen umpusten mit dem Ding«, schnaubte Emerson. »Wenn er aufmuckt, sollten ihn ein paar Warnschüsse eines Besseren belehren. Wenn es hart auf hart geht, schieße ich ihm ins Bein.«
    Yusuf verbarg sich nicht. Hoch aufgerichtet im Mondlicht, einige Meter von der Grabstätte entfernt, rief er: »Jamil, ich bin’s, dein Vater. Komm raus und rede mit mir.«
    Obwohl er leise sprach, verstanden wir jedes Wort. Der Friedhof war totenstill und verlassen. Es kamen ohnedies nur wenige Besucher, und schon gar nicht nach Einbruch der Dunkelheit. Von daher war es einer der sichersten Plätze, die Jamil sich hätte aussuchen können.
    Augenblicke später trat der Junge aus dem Grabeingang. »Hast du Angst näher zu kommen, mein Vater? Die Geister der Verstorbenen können den Lebenden nichts anhaben.«
    Er trug ägyptische Kleidung, eine dunkle Robe und einen nachlässig gewickelten Turban. Nachdem er inzwischen seinen Bart rasiert hatte, war er seiner Schwester wie aus dem Gesicht geschnitten; er sah sehr jung und sehr harmlos aus. Indes steckte ein Messer in seiner Schärpe, seine Rechte umklammerte einen langen Stock.
    »Der Geist meines dahingerafften Cousins Abdullah setzt mir zu«, konterte der Alte. »Wir haben ihn entehrt, Jamil, aber noch ist es nicht zu spät, um Wiedergutmachung zu üben. Komm mit mir zum Vater der Flüche. Er will dir helfen.«
    Jamils hübsches Gesicht verzog sich zu einer hasserfüllten Grimasse. Hektisch drehte er den Kopf nach allen Seiten, seine Augen fixierten jeden Schatten. Ob er uns sah oder lediglich auf unsere Anwesenheit schloss, werde ich nie erfahren; jedenfalls schulterte er den Stock und hielt diesen wie ein Gewehr. Es war ein Gewehr – Yusufs antike Waffe, sein kostbarster Besitz.
    Yusuf schrie auf. »Nein, Jamil! Du hast gesagt, du würdest nur im Notfall schießen. Nimm die Waffe runter.«
    Emerson trat in das helle Mondlicht. »Lass sie fallen, Jamil«, rief er. »Yusuf, aus dem Weg.«
    Meine Pistole auf den Boden vor Jamil gerichtet, machte er einen langen Schritt nach vorn. Falls er noch mehr hatte sagen oder tun wollen, so bekam er keine Gelegenheit. Eine laute Explosion ließ die Luft erzittern, durch die Dunkelheit zuckte ein rotglühender Feuerstrahl. Etwas verspätet versuchte ich, mich vor Nefret zu werfen.
    »Großer Gott«, flüsterte Ramses. »Das verdammte Gewehr ist explodiert. Ich habe es schon immer befürchtet, er muss –«
    Emerson rannte zu der zusammengesackten Gestalt. Über seinen Sohn gebeugt, schrie Yusuf auf und brach zusammen.
    Jamil lebte noch. Als ich sah, was von seinem Gesicht übrig geblieben war, konnte ich nur beten, dass er nicht mehr lange zu leben hätte. Sein verbliebenes Auge rollte hin und her und fokussierte. Geräusche zischten durch seine zermalmten Zähne.
    »Jumana. Schwester. Ist unser Vater –«
    Nach einem entsetzten Blick auf Jamil wusste Nefret, dass sie nichts mehr für ihn tun konnte. Sie kniete sich neben den alten Mann, ihre Hand auf seiner nackten Brust, und sagte: »Es ist sein Herz. Wir müssen ihn zum Haus bringen.«
    »Herz«, murmelte Jamil schwach. »Ich habe ihn umgebracht. Meinen Vater. Schwester – höre – das Grab –«
    Jumana beugte sich über ihn. Vor Entsetzen konnte sie nicht einmal weinen. »Möchtest du mir sagen, wo es ist? Dann sprich und geh zu Gott, wenn du uns diese letzte Freundlichkeit erwiesen hast.«
    »Freundlichkeit.« Ich glaube, er versuchte zu lachen. Es war ein grässlicher Gurgellaut, vermischt mit Blut. Dann sagte er mit letzter Kraft: »Diese Idioten. Es war da, direkt vor ihren Augen. In der Hand der Gottheit.«

    Yusuf konnte nur noch die Hand seiner Tochter (die ich in die seine legte) fassen und einige wenige, zusammenhanglose Worte murmeln, dann starb er. Ein sentimentaler Zeitgenosse würde vielleicht meinen, dass er an einem gebrochenen Herzen

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