Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
Meinung ändern.«
Nefret fasste Ramses’ Hand. Seine Lider gesenkt, warf Ramses ihr einen raschen Seitenblick zu, und obwohl er überaus kontrolliert wirkte, wusste ich, dass er die Geste missverstand und verabscheute. Aber es war nicht Besitzanspruch, sondern Angst – die unbegründete Panik eines Kindes, das in einem dunklen Raum nach einem tröstlichen Halt sucht.
»Er wird es deshalb tun«, fuhr Smith fort, »weil er nicht will, dass ein enger Freund in offenes Geschützfeuer gerät. Enger als ein Freund, um genau zu sein. Ein Verwandter.«
Es bestand kein Zweifel, wen er damit meinte. Nefret wurde blass, Emerson krebsrot im Gesicht. »Sag jetzt nichts, Emerson«, entfuhr es mir. »Keiner redet, bis er dargelegt hat, was er explizit meint.«
»Sie wissen, wen ich meine«, sagte Smith mit dem dünnen, selbstzufriedenen Lächeln, das ich zur Genüge kannte. »Er hat sich als Verräter entpuppt. Er ist zum Feind übergelaufen.«
Aus Manuskript H
Nefret redete sich ein, dass ihre Aufregung unbegründet sei. Sie hatte Ramses’ Wort, und er würde es nicht brechen. Andererseits wusste sie um die Empfindungen, die er so geschickt vor allen verbarg, außer natürlich vor ihr, und sie spürte seine wachsende Unruhe und die Schuldgefühle bei der Exkavationsarbeit, während Freunde und Verwandte kämpften und fielen. Er würde nicht kämpfen, dennoch könnte er seine einzigartigen Fähigkeiten nutzen, ohne seine pazifistischen Prinzipien zu verletzen, und es gab einen Aspekt, über den er sich niemals hinwegsetzen würde: wenn ihr oder ihren Eltern oder einem Freund Gefahr drohte. Es gestaltete sich schwierig, den exzentrischen Halbbruder seines Vaters einzuschätzen, aber ob Freund oder Feind – über die Jahre hinweg war er beides gewesen – sie schuldeten es ihm.
Emersons braungebranntes Gesicht blieb beinahe so unbewegt wie das seines Sohnes, als er schließlich bedrohlich sanft erwiderte: »Das ist eine Lüge.«
Smith beugte sich vor. »Dann beweisen Sie es.«
»Ich dachte, Sie wollten Ramses«, sagte Emerson, gleichbleibend sanft.
»So ist es. Darf ich das einmal erklären?«
»Ich bitte darum, und zwar dalli«, konterte Emerson. »Peabody, mein Schatz, möchtest du einen Whisky-Soda?«
Nefret hatte nie recht gewusst, was ihre Schwiegermutter von dem Mann hielt, der ihr in all den Jahren hartnäckig nachgestellt hatte; immerhin bedeutete er ihr doch so viel, dass sie die Anschuldigung zurückwies. Ihre grauen Augen hatten einen harten, fast metallischen Glanz angenommen.
»Nein danke«, entgegnete sie. »Mr Smith, wie haben Sie das herausgefunden?«
»Was herausgefunden?«
Sie war klug genug, sich nicht zu einem Eingeständnis provozieren zu lassen. »Nun, was immer Sie wissen.«
Smith betrachtete sie mit einem Ausdruck zähneknirschender Bewunderung. »Wenn Sie auf meine Kenntnis anspielen hinsichtlich – äh – der Verwandtschaft zwischen Ihnen und dem fraglichen Individuum, dann muss ich – ähm – Bitte, Mrs Emerson, darf ich Ihnen nicht doch etwas zu trinken anbieten?«
»Nein. An dem fraglichen Abend, als wir von dieser Verwandtschaft erfuhren, waren ziemlich viele Leute anwesend«, fuhr sie nachdenklich fort. »Leute vom Militär. Hat jemand unser Gespräch mit angehört und Ihnen davon berichtet?«
»Nur ein paar Gesprächsfetzen, aber das genügte, um seine Neugier zu wecken. Irgendwann drang das Ganze zu mir und weckte meine Neugier. Mein Mitarbeiter in England brauchte eine ganze Weile, um den Beweis zu erbringen – Geburts- und Sterbeurkunde, Belege von diversen Finanztransaktionen – Sie kennen das Verfahren. Ich habe es sonst niemandem gesagt, Mrs Emerson.«
»Nein, Sie horten Informationen wie bares Geld und rücken lediglich damit heraus, wenn Sie etwas dafür bekommen«, lautete die aufgebrachte Reaktion. »Erwarten Sie für Ihre Diskretion bloß keinen Dank von uns.«
»Beruhige dich, Mutter«, meinte Ramses. »Das ist jetzt nicht das Problem. Die erste Runde geht an ihn. Vielleicht sollte er uns alles Weitere darlegen.«
Es war eine vertrackte Geschichte. Wenige Wochen zuvor war in Konstantinopel ein Mann aufgetaucht, der sich Ismail Pascha nannte. Folgendes Gerücht machte unter den Gläubigen schnell die Runde: er war ein Kafir – ein Ungläubiger – gewesen, ein ranghoher Offizier des britischen Geheimdienstes, der zur wahren Religion und zur gerechten Sache gefunden hatte. Man hatte ihn in der Öffentlichkeit mit deutschen Offizieren und auch mit Enver und den
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