Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
Sorgen«, flüsterte er. »Es wird alles gut werden.«
Sie streckte ihre Hand aus, als wollte sie sein Haar berühren, und hielt abrupt inne. »Komm sofort her, wenn du …«
»Sobald ich kann.« Er fasste ihre Hände und führte sie an seine Lippen.
Aus Manuskript H
Ramses hatte ihr nicht erzählt, was ihn am meisten bedrückte. Er teilte es seinem Vater mit, als sie Kleidungsstücke für ihn auswählten.
»Wie vereinbart habe ich Chetwode in Rafa getroffen. Er ist nicht besonders gut in solchen Dingen; seine Kinnlade sank ihm bis auf die Brust, als ein verdreckter ›Bettler‹ auf ihn zusteuerte und ihm das verabredete Codewort zuraunte.«
»Verflucht«, schnaubte Emerson. »Kannst du nicht auf eigene Faust weitermachen – ohne ihn?«
»Sie würden mich aufgreifen, noch bevor ich Khan Yunus verlassen hätte. Du weißt das Schlimmste noch nicht. General Chetwode, der Kommandeur der Wüstenschwadron, ist der Onkel dieses Bürschchens. Man hat mich in sein Büro beordert, und ich musste ihm und seinem Stabsoffizier von der Feldberichterstattung rapportieren.«
»Hölle und Verdammnis! Wer weiß eigentlich noch von deiner ›geheimen‹ Mission?«
»Keine Ahnung.« Ramses nahm ein Hemd, grinste, und legte es beiseite. »Wenn die Geschichte die Befehlshierarchien durchläuft, dann hat Chetwodes Vorgesetzter, Dobell, auch davon erfahren. Hiervon kann ich nichts gebrauchen, Vater.«
»Was ist mit dem Päckchen, das ich für dich mitbringen sollte?«
»Ich nehme es mit, aber solche Sachen kann ich in Khan Yunus nicht tragen. Selim muss mir irgendwas leihen.«
»Heißt das, du willst ihn einweihen?«, erkundigte sich Emerson.
»Wie viel weiß er?«
»Nur, dass wir offenbar wieder in irgendwelchen Kalamitäten stecken. Selim stellt keine Fragen.«
»Er verdient es, darüber aufgeklärt zu werden – zumindest ansatzweise. Es wäre ein armseliger Freundschaftsbeweis, wenn wir ihn für nicht vertrauenswürdig hielten. Besonders«, fügte Ramses bitter hinzu, »wenn jeder Idiot und selbst sein verdammter Onkel davon weiß. Ich denke, Selim hat mich bei meinem Eintreffen erkannt; er musterte mich verdächtig genau, als er mit dem Torwächter argumentierte.«
Selim hatte ihn erkannt, aber nicht, wie er später betonte, wegen irgendwelcher Auffälligkeiten an Ramses’ Tarnung. »Wer hätte es sonst sein können?«, konstatierte er. »Ich stelle dem Vater der Flüche keine Fragen, denn ich habe damit gerechnet, dass man mich früher oder später einweiht.«
»Du musst dich doch gewundert haben, worum es hier eigentlich geht?« Die Sachen, die Selim ihm geborgt hatte, passten recht gut; arabische Kleidung war nun einmal weit und wallend.
Selim verschränkte die Arme und sagte steif: »Es ist nicht meine Aufgabe, mich zu wundern.«
Grinsend klopfte Ramses ihm auf den Rücken. »Du klingst genau wie dein Vater. Ich und ein weiterer Mann brechen nach Gaza auf, Selim. Dort kursieren Gerüchte über einen gewissen Ismail Pascha – dass er ein britischer Agent sei, der zum Feind übergelaufen ist. Da ich – ähm – ein Bekannter von besagtem Gentleman bin, schicken sie mich hin, damit ich mir Ismail einmal genauer anschaue und herausfinde, ob die Gerüchte stimmen.«
»Ein Bekannter«, wiederholte Selim. »Aha. Kann es sein, Ramses, dass ich den fraglichen Herrn ebenfalls – äh – kenne?«
»Du kannst nicht mitkommen.« Ramses ließ seine Frage unbeantwortet. Selim quittierte dies schulterzuckend und nickte, als Ramses fortfuhr: »Danke für die Sachen. Ich werde versuchen, sie dir in gutem Zustand zurückzugeben.«
»Dann ist es also heute Abend so weit«, schloss Emerson.
»Ja. Chetwode – unser Chetwode – und ich treffen uns nach Einbruch der Dunkelheit in einem verlassenen Haus in Dir el-Balah, etwas nördlich von hier. Ich hoffe inständig, dass er es findet. Ich werde eine Weile brauchen, um über Umwege dorthin zu gelangen, denn ich will mich nicht von irgendeinem Burschen aufgreifen lassen, der Arbeiter sucht. Ich gehe jetzt besser. Möchtest du mir noch ein paar Flüche und Tritte mit auf den Weg geben, Selim?«
Selim erwiderte sein Lächeln nicht. »Wie du meinst. Sei vorsichtig. Geh kein unnötiges Risiko ein.«
»Dein Vater hätte es nicht anders formuliert. Ich werde es versuchen. Pass auf sie auf, Selim.«
Chetwode verspätete sich. Er stand blinzelnd im Schutz des halb verfallenen Gebäudes, seine Statur schemenhaft vor dem sternenklaren Himmel. Ramses wartete nur so lange, bis er sich
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