Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
weitere Kratzer und Prellungen zugezogen, einschließlich einer ordentlichen Beule an der Schläfe. »Kein Grund mehr zur Geheimhaltung, Vater. Die Sache wurde vermasselt. Von Anfang bis Ende ein völliger Fehlschlag.«
Nefret maß ihn kritisch. »Es wäre schön, wenn du von deinen Expeditionen wenigstens einmal unversehrt zurückkehren könntest.«
»War nicht meine Schuld«, verteidigte sich Ramses.
»Laut Chetwode hast du es heroisch mit zehn Männern aufgenommen, damit er fliehen konnte«, warf Emerson ein.
»Dann ist er also hier gewesen. Es waren nur sechs«, versetzte Ramses.
»Hmph«, brummte Emerson. »Ja, er war hier, und unsere Deckung ist ebenfalls aufgeflogen. Er bestand darauf, seine Nachricht ungetarnt zu überbringen, und falls er mich noch nicht kannte, so hat er mich jetzt kennen gelernt. Ich – äh – ich vergaß mich, als er mit der Neuigkeit herausrückte, dass man dich gefangen genommen habe und du in ›der gnadenlosen Gewalt des gefährlichsten Mannes des gesamten osmanischen Weltreiches wärst‹, wie er sich ausdrückte. Der Bursche hat eine melodramatische Ader.«
»Hmmm«, bemerkte Ramses. »Dann hat er das also noch gesehen, oder?«
»Er behauptete, er wollte dir zu Hilfe kommen, aber das Risiko sei zu groß gewesen und er genötigt, deine Anweisungen zu befolgen. An diesem Punkt rauschten deine Mutter und Nefret herein –«
»Wir waren in einem der Geheimgänge«, erklärte ich. »Überaus nützliche Verstecke. Die Nachricht, dass ein englischer Offizier mit Neuigkeiten bei uns eingetroffen sei, interessierte uns natürlich, deshalb haben wir uns –«
»Ebenfalls vergessen«, beendete Emerson den Satz.
»Mein Schatz, was machte das noch aus? Leutnant Chetwode schien nicht sonderlich überrascht, als wir aus diesem Schrank sprangen.«
»Er wird dich für einen Orden vorschlagen«, kicherte Nefret.
»Wie nett«, sagte Ramses süffisant. »Also habt ihr hier abgewartet und Tee getrunken, in dem Bewusstsein, dass ich die grässlichsten Folterungen durchstehen muss?«
»Wir haben diskutiert, welche Schritte wir zu deiner Rettung einleiten«, korrigierte ich. »Und wie wir möglichst effektiv vorgehen können.«
»Ich weiß, Mutter. War nur ein Scherz.«
»Ich wäre die Letzte, die etwas gegen eine Prise Humor einzuwenden hätte«, sagte ich. »Allerdings … Leutnant Chetwode hat uns geschildert, was bis zu seiner Flucht passiert ist. Diesen Teil brauchst du wahrlich nicht zu wiederholen.«
»Hat er auch erwähnt, dass wir es problemlos geschafft hätten, wenn er nicht versucht hätte, Ismail Pascha zu erschießen?«
Nefret schnappte nach Luft und Emerson fluchte, und ich sagte gleichmütig: »Ich nehme an, dass ihm dies nicht gelungen ist?«
»Nein. Er hatte nicht die geringste Chance. Die Leibgarde des Gouverneurs war ihm im Weg, und es herrschte reges Gedränge. Eigentlich war es meine Schuld«, gestand Ramses. »Ich vermutete, dass er bewaffnet sei, und nahm ihm vor unserem Aufbruch eine Pistole ab. Ich hätte einkalkulieren müssen, dass Cartright damit rechnete und ihn mit einer weiteren Waffe ausstaffierte. Ich habe ihn nicht durchsucht. Leider.«
»Hör mit diesen Selbstvorwürfen auf und erzähl uns, was passiert ist«, sagte ich. »Von Anfang an, bitte, und den exakten Verlauf.«
Sein Bericht stimmte größtenteils mit dem Chetwodes überein, bis zu dem Punkt, als Chetwode auf den Verdächtigen geschossen hatte. Dann war er geflüchtet – er hatte Ramses’ Anweisung befolgt, wie er betonte.
»Ich habe gesagt, er soll rennen«, räumte Ramses ein. »Das Schlimmste war nun einmal eingetreten, und in der Hektik des Augenblicks hätte niemand zu sagen gewusst, wer von uns beiden geschossen hat. Die Garde des Gouverneurs verfolgte mich, und so nahm die Sache ihren Lauf. Ich habe mich tapfer geschlagen, bis jemand einen Stein warf. Sie wollten mich gerade zum Gouverneur schleifen, als jemand aufkreuzte … Ihr werdet es nicht glauben …«
In seiner Jugend war Ramses entsetzlich redselig gewesen und hatte seine Monologe übermäßig mit Adverbien, Adjektiven und anderen verbalen Ausdrucksmitteln ausgeschmückt. Das hatte mich schier verzweifeln lassen, doch der knappe, uninformative Erzählstil, auf den er inzwischen gelegentlich zurückgriff, brachte mich noch mehr auf. Zugegeben, das dramatische Geschehen fesselte uns auch so; keiner äußerte ein Wort, bis er geendet hatte.
»Aha«, sagte ich. »Zunächst hat er also versucht, dich mit Gastfreundschaft und
Weitere Kostenlose Bücher