Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
gab es genug Deckung – die Ruinen des alten Seehafens von Gaza –, und die Wachposten waren weit versprengt, da ihr vorrangiges Ziel darin bestand, vom Meer eingeschleuste Agenten zu sondieren. Als im Osten fahlgraues Dämmerlicht sichtbar wurde, watete Ramses ins Wasser. Er hatte gehofft, im Schutz der Dunkelheit ein Boot nehmen zu können, aber dafür war es jetzt zu spät; ein Boot würde auffallen und beschossen werden. Inbrünstig seufzend trennte er sich von Sahins Kaftan und schwamm los.
»Es geht ihm gut«, sagte Nefret. »Glaubt es mir. Ich weiß immer, wenn dem nicht so ist.«
Ich wollte ihr gern glauben. Das Band zwischen ihnen war so stark, dass sie stets fühlte, wenn sein Leben unmittelbar bedroht war. Allerdings sah sie nicht so aus, als hätte sie gut geschlafen. Das hatte keiner von uns. Es lag ungefähr vierundzwanzig Stunden zurück, dass wir von Ramses Festnahme erfahren hatten, und wir hatten die meiste Zeit diskutiert, was wir diesbezüglich unternehmen sollten. Emerson kann sich nur schwer in Geduld fassen. Am Spätnachmittag hatte er gut und gern zehn Meilen zurückgelegt – so oft hatte er den Fliesenboden im Harem abgeschritten.
»Wir dürfen noch nicht handeln«, beteuerte ich zum xten Mal. »Lass ihm noch etwas Zeit. Er hat sich schon aus schlimmeren Situationen befreit, und wir wissen zumindest, dass er lebte, als man ihn zuletzt gesehen hat. Emerson, um Himmels willen, hör mit diesem ständigen Hin-und-her-Gelaufe auf. Was du brauchst, ist ein schöner heißer Tee. Komm, hilf mir, Nefret.«
Emerson sagte, er brauche den verfluchten Tee nicht, aber ich musste irgendwas tun und Nefret meiner Ansicht nach auch. Trotz all ihrer Zuversicht war sie tief besorgt um den geliebten Menschen, der ihr mehr bedeutete als ihr Leben; sie atmete rasch und flach, und ihre Hände zitterten so stark, dass ich den Tee allein vorbereitete.
Unvermittelt sprang sie auf. Es war eine Vorahnung und nicht etwa Furcht, weshalb sie zitterte – die unerträglichen, letzten Augenblicke des Wartens auf die Erfüllung eines glühenden Wunsches. Als sie sich zur Tür drehte, sprang diese auf, und er stand da. Daran bestand kein Zweifel, obwohl er eine englische Uniform trug und sein Gesicht von einem Helm überschattet wurde.
Ich war nicht wirklich in Sorge gewesen. Nefrets Instinkte hatten sie noch nie getrogen. Trotzdem fiel eine zentnerschwere Last von mir ab.
»Aha«, sagte Emerson, um Gleichmut bemüht. »Ich habe mich schon mit dem Gedanken getragen, dich suchen zu müssen.«
»Ich auch.« Ramses legte den Helm ab und den Gürtel mit dem Holster. »Ihr werdet es nicht glauben … Nefret!«
Sie war leichenblass geworden. Ramses fing sie geistesgegenwärtig auf, als sie in sich zusammensackte. Er hielt sie eng umschlungen, ihren Kopf an seine Schulter geschmiegt. »Nefret – Liebling – mein Schatz, sag doch was!«
»Kein Grund zur Aufregung«, beruhigte ich ihn. »Es ist nur eine kleine Ohnmacht. Lass sie runter.«
»Sie ist in ihrem ganzen Leben noch nicht in Ohnmacht gefallen!« Meinen vernunftgeprägten Vorschlag ignorierend, sank er auf den Diwan und hielt sie fest. Emerson fasste eine ihrer schlaffen Hände und fing an, sanft darauf herumzuklopfen. Ich nahm eine frische Tasse, schenkte Tee ein und gab mehrere gehäufte Löffel Zucker hinzu.
Kurz darauf regte sich Nefret. »Was ist passiert?«, fragte sie schwach.
»Du bist in Ohnmacht gefallen«, sagte Emerson rau.
»Ich bin in meinem ganzen Leben noch nicht in Ohnmacht gefallen!« Ihre Gesichtsfarbe normalisierte sich, ihre blauen Augen blitzten ärgerlich auf. »Lass mich runter.«
»Es war mein Fehler«, sagte Ramses zerknirscht. »Ich hätte nicht so einfach reinplatzen dürfen. Vermutlich hast du gedacht … Bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?«
Sie lächelte zu seinem besorgten Gesicht auf. »Ich weiß etwas, das die Genesung beschleunigen würde.«
Ich habe nichts gegen öffentliche Zuneigungsbeweise zwischen verheirateten Personen oder zukünftigen Paaren, aber ich wollte Ramses nicht abgelenkt wissen. »Ein schöner heißer Tee«, entschied ich und brachte ihr die Tasse.
Nefret schob sie weg. »Gib ihn Ramses. Er sieht aus, als hätte er ihn dringender nötig als ich.«
»Mir geht es prächtig. Bin nur ein bisschen müde. Hatte wenig Schlaf in den letzten achtundvierzig Stunden.«
»Bist du durch die Geheimtür hereingekommen?«, erkundigte sich Emerson.
Ramses schüttelte den Kopf. Er hatte sich einige
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