Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
brachte, sich zuerst zu erklären, weil ich mir nicht hundertprozentig schlüssig war. In diesem Fall zögerte ich nicht.
»Aber, mein Schatz, ich denke, wir haben dieses kindische Wetteifern nicht nötig. Ich verrate es dir gern. Er hat sich als Sahin Pascha verkleidet.«
Emerson gab eine Lachsalve von sich, wurde aber sogleich wieder ernst und strich sich über seinen Bart. »Also wirklich, Peabody, das ist teuflisch genial. Aber … Nein, es ist unmöglich. Was hat dich zu dieser bemerkenswerten Logik veranlasst?«
»Du bist dran«, scherzte ich. »Wen meinst du denn?«
»Ich brauche meine Pfeife«, brummte Emerson. »Was hast du damit gemacht?«
Ich hatte gar nichts damit gemacht. Leise vor sich hin schimpfend, durchwühlte Emerson seine wallenden Gewänder, bis er besagtes Objekt und seinen Tabaksbeutel aufspürte. Ich half ihm, die Pfeife anzustecken, dabei peinlich genau auf Funken in seinem Bart achtend.
»Also gut.« Emerson lehnte sich auf dem Diwan zurück und paffte zufrieden. »Wo waren wir stehen geblieben?«
»Du wolltest mir verraten, wen Sethos verkörpert hat.«
Der Genuss seiner geliebten Pfeife gab Emerson neuen Mumm. »Den Diener«, entschied er.
»Der Bursche, der den Tee brachte? Er war mit einem Betäubungsmittel versetzt, Emerson.«
»Ja, sicher. Wäre auch todsicher seine Enttarnung gewesen, wenn er die Anweisungen seines Dienstherrn ignoriert hätte. Die Leute beachten Diener nicht«, führte Emerson aus. »Und Sahin hatte das Haus gemietet und, so muss man annehmen, auch das Personal.«
»Eine dermaßen unspektakuläre Rolle zu verkörpern passt gar nicht zu Sethos.«
»Nein, er zieht den großen Auftritt vor. Wäre eher nach seinem Geschmack, in die Rolle einer bekannten Persönlichkeit zu schlüpfen.«
Er wirkte so geknickt, dass ich mich genötigt sah, seiner Eitelkeit ein bisschen Aufwind zu geben. Ehemänner schätzen solche Gesten.
»Trotzdem, einige Dinge begreife ich nicht«, wandte ich ein. »Wie konnte Sethos Sahins Männer und dessen Personal und sogar die Tochter überlisten?«
»Ach das.« Emerson winkte wegwerfend ab. »Sethos hat schon andere und aufmerksamere Zeitgenossen an der Nase herumgeführt als eine Hand voll schwachköpfiger Gardeoffiziere. Das Mädchen sieht ihren Vater vielleicht nur selten; Sahin scheint mir nicht unbedingt der Papa, der mit seinen Kindern spielt.«
»Na ja, vielleicht täusche ich mich«, sagte ich einlenkend. »Solange wir nicht mehr über diese Villa wissen, können wir nicht mit Sicherheit sagen, wie es ihm gelungen ist.«
»Ich weiß jedenfalls nicht, wie es ihm gelungen ist«, räumte Emerson ein. »Oder was hinter diesem ganzen Manöver steckt. Aber ich habe ein Gefühl – ja, mein Schatz, nenn es ruhig eine Vorahnung –, ich habe ein Gefühl, dass wir über kurz oder lang von meiner exzentrischen – äh – Bekanntschaft hören werden. Und da vermutlich schon viel zu viele Leute um unsere wahre Identität wissen, können wir ebenso gut damit aufhören, uns wie streng gläubige Moslems zu gebärden. Was meinst du, soll ich uns eine Flasche Whisky von einem unserer Burschen organisieren?«
»Ich habe die Vor- und Nachteile erwogen, ob wir unsere Maskerade aufgeben sollen, und nach meinem Ermessen überwiegen die Vorteile. Diejenigen, die wir im Ungewissen lassen wollten, kennen die Wahrheit ohnehin, und allen anderen wird die Anwesenheit des berühmten Vaters der Flüche nur Respekt einflößen. Trotzdem brauchst du nichts zu organisieren.« Ich griff hinter die Kissen und zog das Paket heraus, das ich während der langen, beschwerlichen Reise nicht aus den Händen gegeben hatte. Es war ein ziemlich sperriges Paket, muss ich zu meinem Leidwesen gestehen, da ich die meiste Zeit darauf gesessen hatte.
»Gütiger Himmel!«, seufzte Emerson, als ich die Flasche hervorzauberte, die ich in diverse Kleidungsstücke eingewickelt hatte.
»Wir werden ihn mit normalem Wasser oder pur trinken müssen, wie Cyrus. Das Sodasiphon war zu schwer und überdies zerbrechlich.«
Emersons Lächeln schwand. »Was hast du denn da noch alles?«, fragte er misstrauisch.
»Hosen, Hemden und Stiefel für Nefret und mich – du hast sie doch neulich gesehen – mein Messer und ihres – meinen Utensiliengürtel – und –«
»Nein!« Emerson fielen fast die Augen aus dem Kopf.
»Du denkst doch nicht etwa, dass ich mich ohne ihn in Gefahr stürzen würde.« Ich hatte die Gegenstände auf dem Diwan ausgebreitet und legte meinen Schirm
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