Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
verdammten Khan Yunus gesehen habe, machten ihn empfänglich für meinen Vorschlag, im Haus zu bleiben. Selim leistete ihm Gesellschaft. Angeregt plaudernd – unser Gespräch kreiste in weiten Teilen um Sahins bemerkenswerte Tochter – brachen wir auf.
Eingequetscht in den Fond des Automobils und halb erschlagen von Gepäckstücken, hatte ich bei unserer Ankunft nicht viel von der Stadt gesehen. Sie besaß nur ein architektonisch interessantes Bauwerk: eine schöne Moschee aus dem 13. Jahrhundert. Mit nur wenigen Ausnahmen waren die Häuser klein und schmutzig, und auch der Souk hatte nicht viel zu bieten. Gleichwohl entschädigten die Gärten für die allgemeine Trostlosigkeit. Manche waren von den gleichen dichten Kaktushecken umgeben wie die Stadt, ein überaus gewöhnungsbedürftiges Erscheinungsbild und wesentlich wirkungsvoller als Zäune oder Mauern. Es waren richtige Nutzgärten, in denen eine Vielfalt an Obst- und Gemüsesorten angebaut wurde. Feigen- und Mandelbäume, Orange und Granatapfel winkten mit ihren belaubten Zweigen.
Wir schlenderten etwa eine Stunde, bewunderten die üppige Vegetation und kauften ein paar Kleidungsstücke für Ramses im Basar. Als wir zum Haus zurückkehrten, war ich sicher, dass ganz Khan Yunus von unserer Anwesenheit wusste. Nefret und ich trugen unsere europäische Garderobe. Emerson war barhäuptig, aber er hatte sich geweigert, sich von seinem bequemen Kaftan – und von dem Bart – zu trennen. (Auf den Bart komme ich noch zu sprechen.) Unsere Gegenwart sorgte für erhebliche Aufmerksamkeit, aber für weniger Verblüffung, als ich angenommen hatte; und als wir den Marktplatz überquerten, schoss ein zerlumptes Individuum auf Emerson zu, nannte ihn mit Namen und verlangte Bakschisch.
Der Bursche war groß für einen Araber und von kräftiger Statur; für Augenblicke glaubte ich, er wolle Emerson an seinem Bart packen. Aber dann sah mein Gatte genau wie ich, dass einer der ausgestreckten Arme keine Hand hatte und dass der Ärmel vom Ellbogen an schlaff herunterhing.
»Es ist noch zu früh für eine Reaktion von ihm, Emerson«, sagte ich, als wir weitergingen, begleitet von den segensreichen Dankesworten des Bettlers.
»Nein, das ist es nicht. Wir hätten uns diesen kleinen Spaziergang sparen können; die Neuigkeit von unserer Anwesenheit hat ohnedies bereits die Runde gemacht. Sonst«, versetzte Emerson, liebevoll seinen Bart streichelnd, »hätte dieser Bursche mich nicht erkannt.«
»Aber wie denn?«, erkundigte sich Nefret und beschleunigte ihre Schritte.
»Auf alle nur möglichen Arten«, erwiderte ich. »Seit unserer Ankunft tratschen und tuscheln die Diener über uns. In Khan Yunus gibt es zweifellos Informanten, die den Türken oder den Engländern Bericht erstatten; einige verkaufen dieselbe Information vermutlich an beide Seiten. Leutnant Chetwode … Was hast du es denn so eilig, mein Schatz; Selim ist bei Ramses, er wird niemanden in seine Nähe lassen.«
Ramses schlief, zusammengerollt wie eine Katze, auf den Diwanpolstern. Neben der Tür hockend, sein Messer gezückt, schien Selim offenbar enttäuscht, uns zu sehen – und nicht den erhofften Attentäter.
»Es war niemand hier«, sagte er mit Bedauern.
»Aber es hätte jemand kommen können.« Ich klopfte ihm auf die Schulter. »Danke, Selim, dass du ihn bewacht hast.«
»Es ist mir ein Vergnügen und meine Pflicht«, erwiderte Selim. »Und jetzt gehe ich nachsehen, was dieser Volltrottel von einem Koch mit unserem Mittagessen anstellt.«
An besagtem Nachmittag hatten wir mehrere Besucher. Alle wollten uns irgendetwas verkaufen.
Unser Besuch im Souk hatte die Händlerinstinkte sämtlicher Kleinunternehmer im Umkreis von dreißig Kilometern geweckt.
Es war nichts Ungewöhnliches, dass Händler ausgesuchte Waren zu den Häusern betuchter Bewohner brachten, vor allem für die Damen des Harems. Zu diesem Zweck wird weibliches Personal angeheuert, da wir jedoch ungläubige Engländerinnen waren, traten die Händler direkt an uns heran, breiteten ihre Seidenstoffe und Edelsteine, Teppiche und Kupferwaren zu unserer gefälligen Prüfung vor uns aus. Einer von ihnen, gerissener als seine Mitstreiter, bot etliche Artefakte feil, darunter auch einen hübschen Skarabäus von Seth I. Das Gebiet war über Epochen hinweg in ägyptischer Hand gewesen, und Gaza eine der Städte, die bereits im 14. Jahrhundert schriftlich erwähnt werden. Die Arme vor der Brust verschränkt, seine Miene verdrossen, weigerte sich
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