Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
wir? Ich gebe zu, ich habe versagt, aber nur, weil Chetwode die ganze Sache vermasselt hat. Einer hat bessere Chancen als drei … vier … fünf … Gute Güte, Vater, du kannst doch nicht –«
»Ich kann«, beharrte Emerson. »Sicherer als du, Ramses. Meinst du nicht, dass Sahin ganz Gaza auf einen Mann von deiner Beschreibung hetzen wird?«
»Aber wie –«
Emerson hielt gebieterisch eine Hand hoch, worauf alle verstummten, und griff mit der anderen in seine Jackentasche. »Ich habe noch einen weiteren Satz Ausweispapiere«, verkündete er stolz.
Sie waren noch beeindruckender als die ersten – mit einem leuchtendroten Wachssiegel, kunstvoll verschnörkelt und mit viel Gold. Die Schrift war gleichermaßen kunstvoll; sie sah arabisch aus, indes konnte ich nichts entziffern. Ich reichte sie an Ramses weiter.
»Türkisch«, murmelte er. »Vater, hast du eine Vorstellung, was dieses Dokument besagt?«
»Nein«, sagte Emerson leichthin. »Gibt es noch Kaffee?«
»Aber – aber –« Ramses fuhr sich mit der Hand durch die zerzausten Locken und hielt Emerson die Blätter unter die Nase. »Wolltest du diese benutzen, um in Gaza einzureisen? Du weißt doch gar nicht, ob es sich um eine Denunzierung deiner Person handelt oder – oder um irgendeine Wäscheliste!«
»Ist dem so?«, erkundigte sich Emerson.
Nefret goss ihm und Ramses frischen türkischen Mokka ein, den sie hervorragend zubereitete, und Ramses inspizierte die Papiere genauer.
»Nein«, gestand er. »Sie scheinen in Ordnung – soweit ich das beurteilen kann. Ich hatte noch nie das Privileg, eine direkte Order von der Regierung des osmanischen Reiches zu sehen, vom Sultan höchstpersönlich unterzeichnet.«
»Das haben nur wenige.« Emerson nippte an seinem Mokka. »Ah – köstlich. Danke, Nefret. Ich bin zwar nicht davon ausgegangen, dass el-Gharbi ein falsches Spiel mit mir treiben könnte, schließlich genügt allein die Aufmachung dieser Dokumente, um die meisten Leute in Ehrfurcht erstarren zu lassen, und da das Analphabetentum ohnehin weit verbreitet –«
»El-Gharbi«, fiel Ramses ihm ins Wort. »Ich hätte es wissen müssen. Was hast du ihm im Gegenzug versprochen?«
»Mein Wohlwollen.« Emerson grinste scheinheilig.
Ramses war außer sich. »So«, versetzte er, und es gelang ihm nicht recht, seine Stimme zu kontrollieren, »wenn ich nicht zurückgekommen wäre, wärst du zu den türkischen Linien vormarschiert, mit einem Stoß Papieren, die du nicht lesen kannst, und einem gebrochenen Arm und –«
»Und deiner Mutter«, sagte Emerson.
Ich glaube, er wollte die emotionsgeladene Atmosphäre mit einer Prise Humor entspannen. Seine Äußerung hatte nicht den gewünschten Effekt. Ramses wurde blass, und ich sagte entschieden: »Ganz recht. Einer für alle und alle für einen – so lautet doch unser Motto, oder? Du wärst ähnliche oder noch größere Risiken für uns eingegangen, Ramses. So, das wäre geklärt und nun zurück zum Geschäftlichen. Sind diese Papiere ausreichend für das, was dein Vater vorhat?«
»Steht mein Name darin?«, wollte Selim wissen.
»Nein, nur meiner«, erwiderte Emerson. »Wenn ein ehrenwerter Scheich, ein Freund des Sultans, beschließt, seine Diener mitzunehmen –«
»Und seine Gattinnen«, versetzte ich.
»Pah«, sagte Emerson. »Er kann mitnehmen, wen er will, vermute ich. Seid jetzt still, alle. Ich habe noch keinen Plan, wie wir vorgehen wollen. Vielleicht ist es besser, wenn ich mich im Schutz der Dunkelheit durch die feindlichen Linien stehle.«
»Mit einem Arm in Gips?«, schnaubte Ramses.
Ungehalten inspizierte Emerson den Gipsverband. »Weiß gar nicht, wozu der gut sein soll. Mein Arm juckt höllisch. Nefret –«
»Nein, Vater. Keinesfalls.« Sie neigte sich näher zu Ramses, ihre Schultern berührten sich. »Wir müssen uns ja nicht sofort entscheiden. In der Tat wäre es eine Riesendummheit zu handeln, ehe wir nicht mehr wissen. Ist ja alles gut und schön, dass Sethos in Gaza sein muss, weil nur er Ramses befreien konnte, aber sicher sind wir uns da nicht, oder? Ich halte es für das Vernünftigste, ihm eine Chance zur Kontaktaufnahme mit uns zu geben, genau wie Vater vorgeschlagen hat.«
»Genau«, bekräftigte ich. »Und währenddessen können wir auf uns aufmerksam machen. Sollen wir ein bisschen in den Souks herumstreifen, Nefret? Es wird uns gut tun, aus diesem Haus herauszukommen.«
Ramses’ wenige Garderobe und der Umstand, dass er – wie er anmerkte – genug von dem
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