Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
hatte irgendjemand die meisten Nägel entfernt; Musa schob die Dielen beiseite und schlüpfte durch die Öffnung.
Das Haus, früher einmal von Musik und den bunt schillernden Begleiterscheinungen jenes schändlichen Gewerbes erfüllt, war finster, verlassen und verdreckt. Die Fenster waren zugenagelt, die Möbel entfernt oder dem Zerfall preisgegeben. Durch die Ritzen in den Holzbrettern fiel nur wenig Licht ein. Als sie den Raum betraten, in dem el-Gharbi Hof gehalten hatte, gewahrte Ramses einen gewaltigen Schatten, der auf den vermoderten Kissen thronte. Nefret saß neben ihm. Ein Sonnenstrahl schimmerte auf ihrem Haar.
»Verzeih mir«, kicherte sie. »Ich hab es wieder getan.« Vor Erleichterung zitterten Ramses die Lippen. »Diesmal war es nicht deine Schuld. Ein weiterer, erschwerender Punkt gegen dich, el-Gharbi. Was hast du dir dabei gedacht?«
»Aber, aber, mein junger Freund, welche Wahl blieb mir denn?« Die Stimme war das ihm vertraute, schrille Gewinsel, doch sobald sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah Ramses, dass der Zuhälter anstelle seiner eleganten weißen Gewänder eine zerlumpte Galabiya trug.
An Gewicht schien er dagegen nicht verloren zu haben.
Schuldbewusst hin und her rutschend, fuhr er fort: »Du wärst nicht ins Lager gekommen. Und du wärst auch nicht hergekommen – also habe ich deine reizende Gattin eingeladen. Wir haben uns blendend unterhalten. Setz dich doch.
Leider kann ich keinen Tee anbieten –«
»Was willst du?«, fuhr Ramses ihm ins Wort. »Aber, aber, das Vergnügen, dich zu sehen und deine reizende–«
»Dafür habe ich keine Zeit «, sagte Ramses ziemlich laut. »Du kannst uns nicht gegen unseren Willen hier festhalten, das weißt du.«
»Ja, das weiß ich.« Der Zuhälter seufzte. »Ich besitze nicht mehr den Einfluss, den ich früher einmal hatte.«
»Also, was willst du?«
»Willst du dich nicht setzen? Nun, auch gut. Es ist das Lager, verstehst du? Das ist kein Ort für eine kultivierte Person wie mich.« Ein angewiderter Schauer durchzuckte die massige Gestalt. »Ich will raus.«
»Du bist draußen«, sagte Ramses, trotz seiner Verärgerung irgendwie belustigt. El-Gharbi war unverbesserlich.
»Nur für ein paar Stunden. Falls ich heute Abend nicht zurückkehre, wenn sie ihre Runden machen, wird dieser brutale Kerl namens Harvey jeden Polizisten in ganz Kairo auf mich hetzen. Ich habe nicht vor, den Rest meines Lebens auf der Flucht vor der Polizei zu verbringen. Das ist mir zu ungemütlich.«
»Ja, das sollte es auch sein. Kannst du mir einen guten Grund nennen, warum ich mich für dich einsetzen sollte, selbst wenn ich dazu in der Lage wäre?«
»Aber mein lieber junger Freund, denk doch an die vielen kleinen Gefallen, die ich dir getan habe –«
»Und ich dir. Ich denke, es steht unentschieden.«
»Dachte mir bereits, dass du es so sehen würdest. Was ist mit zukünftigen Gefälligkeiten? Ich stehe dir immer zu Diensten.«
»Ich will nichts von dir. Nefret, lass uns gehen. Die Eltern machen sich nur unnötig Sorgen.«
»Ja, sicher.« Sie erhob sich. »Auf Wiedersehen, Mr el-Gharbi.«
Sie sprach Englisch, vermutlich, weil die arabischen Grußfloskeln ein Kompliment oder einen Ausdruck der Hochachtung impliziert hätten. El-Gharbi entging dies nicht. Er kicherte ausgelassen.
»Maas salameh, meine geschätzte Dame. Und auch dir, meinem hübschen, jungen Freund. Bedenke meine Worte. Es mag die Zeit kommen …«
»Bei Gott, ich hoffe nicht«, grummelte Ramses, als sie den Raum verließen. »Nefret, alles in Ordnung mit dir?«
»Musa war sehr höflich. Nicht eine Schramme, Schätzchen, außer …« Sie kratzte sich am Arm. »Wir müssen uns beeilen. Inzwischen ist Vater bestimmt fuchsteufelswild, und ich werde von Flöhen verspeist.«
»Dann wären wir schon zwei.«
»Mein armer Schatz. Was du für mich leiden musst!« Die schmale Hintertür war weiterhin unverbarrikadiert. Ramses machte sich nicht die Mühe, die Holzplanken wieder vorzuschieben.
Die elegante Lösung wählend, schickte er einen Bediensteten in den Speisesaal, um ihre Rückkehr anzukündigen, dann suchten sie umgehend ihr Zimmer und das Bad auf. Als er herauskam, lediglich in ein Badetuch gewickelt, saß sein Vater in einem Sessel und rauchte Pfeife.
»Wo ist sie?«, wollte er wissen.
»Sie badet noch. Ich sag ihr, dass du hier bist.«
»Oh«, murmelte Emerson, sich verspätet seines Eindringens in ihre Privatsphäre bewusst. »Oh. Äh –«
Die Tür zum
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