Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
kaum etwas zu bemängeln, und Selims skeptische Miene verzog sich zu einem Grinsen, als ich die beiden mit Lob überhäufte. Der neue Flügel, der Sennia und ihr Gefolge beherbergen sollte – Basima, Gargery und den Kater –, bestand aus einer Reihe von Zimmern, die sich um einen kleinen Innenhof gruppierten, mit einer Schatten spendenden Arkade an einer Seite und einem reizenden kleinen Springbrunnen in der Mitte. Die neuen Möbel, die ich bestellt hatte, waren angeliefert worden, und während wir dort standen, huschte eines der Mädchen mit einem Stapel Leinenlaken herein und fing an, die Betten zu beziehen.
»Hervorragend«, rief ich. »Jetzt brauchen wir nur noch – äh – hmmm – na ja, eigentlich nichts, außer vielleicht ein paar Topfpflanzen im Hof.«
»Wir dachten, das sollten wir dir überlassen, Sitt«, sagte Selim.
»Ja, ganz recht. Ich liebe meine Gartenarbeit.«
Ich plante noch einige weitere Verschönerungen, aber das konnte warten.
Die anderen waren noch im Salon, mit einigen weiteren Familienmitgliedern, die inzwischen aufgetaucht waren, darunter auch Kadija, Daouds Frau; alle redeten auf einmal, keiner tat irgendetwas Sinnvolles. Ich machte einige unmissverständliche Bemerkungen in punkto Gepäck, auf die niemand einging, schickte Selim weg und bat Nefret, mich und Fatima auf dem weiteren Rundgang zu begleiten.
Sie hatte nur den Rohbau des zweiten Hauses gesehen, das ein paar Hundert Meter weiter weg stand. Die Freifläche sollte mit blühenden Pflanzen, Gehölzen und Bäumen bepflanzt werden, sobald ich mich dieser Sache widmen könnte. Noch war sie wie eine Wüstenlandschaft, doch das Haus selbst sah sehr hübsch aus, überlegte ich, seine Mauern aus Nilschlammziegeln in einem schönen blassen Ockerton getüncht. Man hatte sich an meine Anweisungen gehalten; das Hausinnere war so modern und komfortabel, wie man es sich nur wünschen konnte, einschließlich eines eleganten Badezimmers und eines kleinen, abgeschlossenen Innenhofs. Während wir von Zimmer zu Zimmer schlenderten, redete ich unaufhörlich und nahm mir kaum Zeit für eine Atempause; ich wies auf die Annehmlichkeiten hin und erklärte in epischer Breite, dass jede gewünschte Veränderung schnell und problemlos vorgenommen werden könnte. Nefret lauschte schweigend und nickte gelegentlich, ihre Miene ernst. Schließlich sagte sie ruhig: »Es ist alles in Ordnung, Mutter«, und ich hielt mein Plappermaul im Zaum (bildlich gesprochen).
»Gute Güte«, sagte ich ein wenig einfältig. »Ich klinge wie ein Makler, der hofft, ein Haus zu verkaufen. Verzeih mir, mein Schatz.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Du hast es für uns getan, nicht wahr – für Ramses und mich. Du hast mir letztes Jahr nichts von deinem Vorhaben erzählt.«
»Meine Pläne sind nicht relevant, Nefret. Es liegt einzig an euch. Wenn ihr, genau wie früher, lieber auf der Dahabije leben wollt, dann ist das euer gutes Recht. Aber ich dachte … Es steht in einiger Entfernung von unserem Haus, weißt du, und sobald ich die Pflanzen gesetzt habe, werden sie eine zusätzliche Privatsphäre schaffen, und wir kämen nicht im Traum auf die Idee -keiner von uns – ungeladen bei euch vorbeizuschauen …«
»Kannst du dir vorstellen, dass Vater auf eine Einladung wartet?«, fragte Nefret ernst. »Oder Sennia?«
»Ich werde dafür sorgen, dass sie es tun«, versicherte ich.
»Ein wunderschönes Haus. Aber vielleicht ein bisschen groß für zwei Leute?«
»Meinst du wirklich? Ich finde –«
»Oh, Mutter!« Sie strahlte über das ganze Gesicht. Sie legte ihren Arm um mich, und Fatima, die unserer Unterhaltung nervös gelauscht hatte, grinste breit. Nefret umarmte auch sie.
»Es ist ein wunderschönes Haus«, wiederholte sie. »Danke – euch beiden –, dass ihr so hart daran gearbeitet habt, es vollkommen zu machen.«
Aus Manuskript H
Das Auftauchen von Sethos, am Bahnhof von Kairo, hatte Ramses mehr beunruhigt, als er sich selber eingestehen wollte. Er wäre der Erste gewesen, der zugegeben hätte, dass seine Gefühle für seinen Onkel zwiespältig waren. Man musste den Mut und die Intelligenz dieses Mannes einfach bewundern; man durfte die Tatsache nicht verdrängen, dass er einem immer einen oder zwei Schritte voraus war. Zuneigung – ja, sie war vorhanden, beiderseitig, dachte er – ein spätes Verständnis für die Tragik, die Sethos zu einem Kriminellen hatte werden lassen, Bewunderung für die Risiken, die er für sie in Kauf genommen hatte
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